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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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geworfen
hatten, sagte Friðrikka, außer dem Raucherzimmer sehe
alles normal aus. Bei ihrem Gang durch die Räume fiel
Dóra sofort etwas auf: Der gesprenkelte Fußboden sah
genauso aus wie der in dem Film. Sie wechselte einen Blick mit
Matthias, der nickte. Nirgendwo schien es Blutspuren zu geben, aber
sie gingen sehr schnell durch die Räume, und Dóra
wollte die Geologin nicht misstrauisch machen, indem sie die
Wände genau inspizierte. Das konnte warten.
    Im Bürogebäude war
zwar alles normal, aber in den Unterkünften und
Aufenthaltsräumen der Mitarbeiter sah die Sache schon anders
aus. Dort gab es keinen Strom. Es handelte sich um ein paar kleine,
grüne Häuschen, die wie Container aussahen, sowie um ein
größeres Gebäude, das aus kleineren Einheiten
zusammengesetzt war. Darin befanden sich die
Gemeinschaftsräume: Küche, Essraum, Aufenthaltsraum,
Fitnessraum, Waschküche. An das große Gebäude
schloss sich ein langer Flügel mit einfachen Zimmern an.
Friðrikka erklärte ihnen, in den Häuschen mit den
separaten Eingängen befänden sich Wohnungen mit
Schlafzimmer, Duschbad, kleinem Wohnzimmer und Kochecke. Dort
wohnten die Mitarbeiter, die sich für einen längeren
Zeitraum im Camp aufhielten. Die Zimmer in dem angehängten
Flügel waren primitiver: ein Bett, ein kleiner Schrank und
Gemeinschaftswaschräume am Ende des Flurs. In diesen Zimmern
schliefen die Mitarbeiter, die nur kurz im Camp waren, manchmal
aber auch das gesamte Team, wenn es draußen zu stürmisch
war, um das Gemeinschaftsgebäude zu verlassen und rüber
zu den Wohnungen zu gehen. Dóra sagte nichts, wunderte sich
jedoch, denn die Hütten standen nur wenige Meter entfernt.
Falls man bei schlechtem Wetter nicht gefahrlos ein so kurzes
Stück gehen konnte, dann hoffte sie, dass der drohende Sturm
schnell vorüberging. Unbeabsichtigt verzog sie das Gesicht,
als Friðrikka hinzufügte, ein solches Unwetter könne
mehrere Tage lang anhalten.
    Man beschloss, in den Zimmern am
Flur zu schlafen, um die Wohnungen der Leute, die
möglicherweise wieder zurückkommen würden, nicht
durcheinanderzubringen. Wenn es ihnen nicht gelang, den Strom
wieder einzuschalten, müssten sie allerdings im
Bürogebäude bleiben, denn ohne Strom waren es drinnen wie
draußen minus zwanzig Grad. Die wahrscheinlichste
Erklärung war, dass das Kraftwerk, das die Räume mit
Strom versorgte, kaputtgegangen war oder kein Öl mehr hatte.
Matthias, Finnbogi und Alvar gingen gemeinsam hinaus, um es wieder
in Gang zu bringen. Dóra, Friðrikka und Eyjólfur
blieben im Bürogebäude, zusammen mit Bella, die nach
ihrer Rauchpause unversehrt wieder hereingekommen war.
    Sie standen in der winzigen
Kaffeenische, die vom Flur abging. Die große Kaffeemaschine
war angeschlossen, und eigentlich hätten sie einfach auf den
Knopf drücken und sich eine Tasse genehmigen können, aber
das hatte der Arzt ihnen strengstens untersagt. Er hielt es
für unvernünftig, irgendetwas aus dem Camp zu
konsumieren, solange das Schicksal der Arbeiter nicht geklärt
war. Dóra fand das ein bisschen übertrieben, man
löst sich ja nicht einfach in Luft auf, wenn man eine
Lebensmittelvergiftung hat, dachte sie, traute sich aber nicht,
einen Kaffee zu nehmen, obwohl sie danach lechzte und wusste, dass
ihr Kater dann verschwinden
würde.         
    »Wir haben ein doppeltes
System, das verhindert, dass im ganzen Camp gleichzeitig der Strom
ausfällt«, sagte Friðrikka in die Stille hinein.
»Es gibt ein Kraftwerk für das Bürogebäude und
eins für die Wohnungen und Gemeinschaftsräume. Es wird
überall mit Elektroöfen geheizt. Die Häuser sind
zwar gut isoliert, kühlen aber schnell aus, wenn kein Strom da
ist. Dafür muss nicht unbedingt etwas defekt sein. Wir haben
riesige Öltanks, die normalerweise den Winter über
für beide Kraftwerke reichen, aber wenn der Frühling
spät kommt, muss eins abgestellt werden, bis ein Schiff mit
Nachschub anlanden kann.«
    »Ist der Strom oft
ausgefallen, während du hier warst?«, fragte
Dóra.
    »Nein, nein«,
antwortete Friðrikka. »Am Anfang gab’s Probleme mit
dem einen Abgasrohr. Wenn der Wind direkt da reingeblasen hat, ist
der Strom ausgefallen, aber das wurde sofort behoben. Danach hat
alles perfekt funktioniert, aber ich weiß natürlich
nicht, wie es war, nachdem ich aufgehört habe. Vielleicht gab
es da Schwierigkeiten.« 
    »Nein, glaube ich
nicht«, warf Eyjólfur ein. »Ich war vor zwei
Wochen noch hier, da war nicht die Rede

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