Die Eiserne Festung - 7
nicht um besitzlose Exilanten handelte, die gänzlich von der Wohltätigkeit anderer abhängig waren.
»Das sehe ich«, erwiderte eine Stimme. »Kommen Sie herein, Mein Lord.«
Coris kam der Aufforderung nach und sah vor sich einen recht hochgewachsenen, schlanken Mann mit auffallend kantigem Gesicht, einem sehr kurz geschorenen Bart und tiefliegenden Augen, aus denen unverkennbare Intelligenz blitzte. Er trug die orangefarbene Soutane eines Vikars. Auch der Rest passte bemerkenswert zu allen Beschreibungen, die Coris jemals von Vikar Zahmsyn Trynair gehört hatte.
Trynair streckte ihm die Hand entgegen. Coris verneigte sich, küsste den großen Saphir am Ring seines Gegenübers und richtete sich dann wieder auf.
»Eure Heiligkeit«, begrüßte er ihn.
»Wir wissen die Promptheit, mit der Sie unserer Einladung gefolgt sind, sehr zu schätzen, Mein Lord, insbesondere zu dieser Jahreszeit«, sagte Trynair. Sein Lippen lächelten zwar, sein Blick aber blieb von dem Lächeln unberührt. »Wären sich doch alle Söhne von Mutter Kirche ihren Verpflichtungen ihr gegenüber so bewusst.«
»Ich werde nicht so tun, als sei die Reise nicht beschwerlich gewesen, Eure Heiligkeit.« Coris gestattete sich nun seinerseits ein kleines, schiefes Lächeln. »Aber als Kind hat man mir beigebracht, wann immer Mutter Kirche ruft, haben ihre Söhne zu gehorchen. Zudem war die Reise auch sehr interessant, vor allem die Überquerung des Pei-Sees. Die Möglichkeit, endlich den Tempel zu besuchen, ist ein weiterer Segen.«
»Gut.«
Das einzelne, nichtssagende Wort stammte nicht von Trynair, sondern von dem kleineren, korpulenten Vikar mit dem silbernen Haar und den schweren Backen, der sich nicht die Mühe gemacht hatte sich zu erheben, als der Graf eingetreten war. Kein Zweifel, wer das ist, dachte der Graf. Die einzige Überraschung war, dass Zhaspahr Clyntahn haarklein allen je Coris zugetragenen Beschreibungen entsprach. Bis hin zu den Fettflecken, den verschiedene Mahlzeiten auf seiner Soutane hinterlassen hatten.
Es sollte ein Gesetz geben, das es sämtlichen Schurken verbietet, auszusehen wie echte Klischee-Schurken!, ging es Coris durch den Kopf. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er begriff, mit welchem Wort er Clyntahn gerade unwillkürlich beschrieben hatte. Seine Gedanken gingen ja schon seit Jahren in genau diese Richtung; nur vor sich das auch zuzugeben, das hatte er noch nicht gewagt. Dass er es jetzt tat, besaß eine sonderbar anmutende Endgültigkeit. Als hätte er eine Brücke überquert, bei der es kein Zurück mehr gab - selbst wenn er der Einzige sein sollte, dem das im Augenblick bewusst war.
Und du solltest verdammt noch mal darauf achten, dass du auch weiterhin der Einzige bleibst, der das weiß, Phylyp!, mahnte er sich selbst.
Clyntahns Mimik ließ vermuten, dass er sich nicht sonderlich darum scherte, was Coris in diesem Moment durch den Kopf ging. Er schien auch nicht versucht, dem Besucher ein Mindestmaß an Höflichkeit entgegenzubringen. Während Trynair den Grafen mit der kühlen Leidenschaftslosigkeit eines Schachmeisters anblickte, brannte in Clyntahns Augen das Feuer des echten Eiferers. Clyntahn war der bei weitem Gefährlichere der beiden; das war Coris sofort klar.
»Bitte nehmen Sie doch Platz, Mein Lord!«, bot Trynair Coris einen Platz an. Der einzelne Stuhl stand diesseits des großen Tisches, der das Audienzzimmer beherrschte.
Es war der mit Abstand schlichteste Stuhl, den Coris bislang im Tempel gesehen hatte - mit gerader Lehne, anscheinend ungepolstert, ein rein zweckmäßiges Möbelstück. Er hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit den beiden thronartigen Sesseln, in denen Trynair und Clyntahn saßen. Doch als Coris Platz nahm, wäre er beinahe sofort wieder aufgesprungen, so überrascht war er: Die Sitzfläche, die aus einfachstem Holz zu bestehen schien, bewegte sich unter ihm! Sie bewegte sich, schien fast zu zerfließen. Unwillkürlich riss der Graf die Augen auf, als das Möbelstück sich perfekt an die Körperkonturen des darauf sitzenden Menschen anpasste.
Der Graf blickte auf und stellte fest, dass Trynair ihn nachdenklich anblickte. Daher zwang er sich, den Kanzler anzulächeln. Es war ein Lächeln, das offen eingestandene Überraschung ebenso zeigte wie beinahe schon kindliche Freude und Neugier. Trynair lachte leise in sich hinein, als sei er erfreut, seinen Gast tatsächlich überrascht zu haben.
Clyntahn hingegen schien diesen kurzen Moment nicht einmal
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