Die Eiserne Festung - 7
abgewandt. Deswegen konnte Waimyn es auch nicht ernstlich bedauern, den Verräter beseitigen zu lassen.
Und zwar so, dass der Rest seiner ›Reformisten‹-Spießgesellen einen guten Grund hat, ihre Abtrünnigkeit noch einmal gründlich zu überdenken! Die Kiefermuskeln des Intendanten spannten sich an. Dieser Aimayl wird, wenn Cahmmyngs Berichte stimmen, genau das bewirken. Und er hat keine Ahnung, dass ich diesen Befehl erteilt habe. Und Pater Daishan auch nicht, wo wir gerade dabei sind.
Im Gegensatz zu Aimayl wusste Pater Daishan Zahcho ganz genau, wer Aidryn Waimyn war. Schließlich arbeitete er schon seit mehr als sechs Jahren für ihn. Doch Zahcho hatte einen ausgezeichneten Grund anzunehmen, Waimyn habe zusammen mit Bischof-Vollstrecker Thomys Manchyr verlassen: Zahcho hatte das aus Waimyns eigenem Mund vernommen. Also würde Zahcho, selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass er und Aimayl beide von der Obrigkeit aufgegriffen würden, besagte Obrigkeit nicht nach Sankt Zhustyn führen können. Und von allen Inquisitoren, die in Corisande eingesetzt waren, hatte sich Zahcho als derjenige erwiesen, der am wenigsten von allen angesichts der Hinrichtung eines abtrünnig gewordenen Priesters zögern würde.
Ich kann nicht behaupten, ich würde bedauern, dass es so kommen musste, gestand sich der ehemalige Intendant ein, und wenigstens hatte ich die richtigen Leute vor Ort, die sich darum kümmern konnten.
Er schloss Cahmmyngs Bericht. Dann ertappte er sich bei einem herzhaften Gähnen.
Genug für heute! Wenn ich jetzt noch weitermache, unterlaufen mir nachher noch aus reiner Müdigkeit Fehler! Zeit schlafen zu gehen. Wieder gähnte er. Morgen ist auch noch ein Tag.
Zumindest für einige von uns.
.XI.
Grauechsenplatz, Sir Koryn Gahrvais Stadtvilla, und Priorei Sankt Zhustyn, Stadt Manchyr, Fürstentum Corisande
Eine scharfe Handbewegung brachte Sir Koryn Gahrvais Eskorte abrupt zum Stehen. Das Knallen der Stiefelabsätze auf dem Kopfsteinpflaster verhallte. Der Zorn in Gahrvais äußerst beherrscht, aber mit geballter Faust gegebenem Signal war höchst ungewöhnlich. Zu seiner Eskorte gehörten Männer, die zusammen mit ihm die Schlacht vor Haryl's Crossing durchgestanden und während des Feldzuges auch am Talbor-Pass unter ihm gedient hatten. Sie hatten ihn schon während des Gefechts erlebt; sie hatten miterlebt, wie er die Verwundeten besucht und den Sterbenden Trost zugesprochen hatte; sie hatten sogar erlebt, wie er Cayleb von Charis entgegengeritten war, um ihm die Kapitulation zu überbringen. Sie hatten ihn zornig erlebt, sie hatten ihn besorgt erlebt, sie hatten ihn voller Trauer erlebt und voller bitterer Entschlossenheit.
Aber so ... so hatten sie ihn noch nie erlebt.
Die Eskorte mühte sich nach Kräften, ihre Pferde im Zaum zu halten. Die Männer schienen sich im Schatten ihres Kommandanten herumzudrücken wie verängstigte Kinder, die den Zorn des Vaters nicht verstanden. Im Augenblick erweckte die Eskorte nicht mehr den Eindruck der handverlesenen Elitetruppe, die sie doch war. Die Soldaten blickten sich auf dem Grauechsenplatz um, betrachteten die Gebäude im Schein der Morgensonne, die an einem strahlend blauen Himmel stand. Die Luft war frisch und klar; sie warnte vor der Hitze, die schon bald kommen würde. Daher war diese frische Luft umso willkommener. Die Fenster, die bunten Markisen, die Buden und Verkaufsstände des Grauechsenmarktes, normalerweise einer der größten und geschäftigsten der Stadt, leuchteten im goldenen Sonnenschein.
Doch die Buden und Verkaufsstände waren verlassen. Die Menschen, die sich jetzt eigentlich auf dem Markt tummeln sollten, die hätten feilschen und schachern sollen, drückten sich lautlos an die Hauswände, zurückgehalten von bewaffneten Männern der Stadtwache, die sie mit grimmigen Mienen anblickten. Die Lautlosigkeit der Menschenmenge war kaum zu fassen, die Stille so vollkommen, dass schon der einzelne Schrei einer Wyvern in weiter Ferne, hoch über ihnen, sie alle zusammenzucken ließ.
Gahrvai stieg aus dem Sattel. Yairman Uhlstyn, sein persönlicher Waffenträger, tat es ihm gleich und trat neben ihn. Aber eine kurze, abgehackte Handbewegung verriet Uhlstyn, dass selbst seine Anwesenheit an diesem Tag nicht erwünscht sei. Das behagte dem Waffenträger ganz und gar nicht. Doch der dunkelhaarige Mann diente der Familie Gahrvai schon seit seinem fünfzehnten Lebensjahr, und man hatte ihn Sir Koryn zugewiesen, als der General noch ein
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