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Die Eiserne Festung - 7

Die Eiserne Festung - 7

Titel: Die Eiserne Festung - 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Um wie notwendig die Leiche zu untersuchen, beugte er ein Knie und griff nach der Ecke des Tuches. Innerlich bereitete er sich auf das vor, was er nun sehen würde.
    Deutlich später an diesem Tag, zurück in seiner Stadtvilla, saß Gahrvai hinter dem Schreibtisch seines Studierzimmers. Er war allein. Niemand beobachtete ihn. Also gestattete er sich, Zorn und Frustration nicht mehr hinter einer Maske aus Professionalität zu verstecken.
    In seinem teuren Drehsessel lehnte er sich zurück und rieb sich die müden Augen. Gewiss war das Erschöpfung. Das Lesepensum, das er in letzter Zeit hatte absolvieren müssen, war enorm. Aber er hatte immer viel gelesen. Es waren die Inhalte, die seine Augen und ihn erschöpften.
    Unter den vielen Berichten, die sich auf seinem Schreibtisch stapelten, waren auch die Ermittlungen zum Mord an Pater Tymahn. Die Heiler hatten mittlerweile Gahrvais Vermutung bestätigt: Der Priester war erst ganz am Ende der unzähligen Grausamkeiten und Verstümmelungen gestorben, die man ihm angetan hatte. Die wilde Grausamkeit dieses Mordes ließ alles andere, was sich bislang ereignet hatte, beinahe unbedeutend erscheinen. Doch Angriffe auf den Klerus und die Laien der Kirche von Charis nahmen stetig zu. In den weitaus meisten Fällen hielt sich der Schaden noch in Grenzen - Schlägereien, mutwillig verwüstete Häuser, anonyme Drohbriefe, die an Kirchentüren angenagelt oder, um Steine gewickelt, durch Fenster geworfen wurden.
    Die meisten dieser Zwischenfälle ereigneten sich ganz spontan. Zumindest war Gahrvai dieser Ansicht, ebenso Doyal. Es war stets die Folge persönlichen Zorns oder persönlicher Frustration. In vielen Fällen waren die Verantwortlichen bereits festgenommen und ins Gefängnis geworfen worden, oder sie hatten ein beträchtliches Bußgeld zahlen müssen. Gahrvai persönlich hätte ja deutlich härtere Strafen bevorzugt. Vizekönig-General Chermyn aber hatte Erzbischof Klairmant rückhaltlos in der Forderung unterstützt, bei der Reaktion der Obrigkeit müsse sich das Strafmaß stets mit einem Gutteil Zurückhaltung die Waage halten. Unmissverständlich hatte Chermyn zum Ausdruck gebracht, dass er, solange es nicht zu Ausschreitungen oder Gewaltausbrüchen in größerem Maße käme, die Absicht habe, Gahrvai und den Regentschaftsrat die entsprechende Vorgehensweise festlegen zu lassen. Zugleich jedoch hatte er auch noch einmal betont, die Anweisungen, die er vom Kaiserpaar erhalten habe, besagten deutlich, er solle keinesfalls repressiver vorgehen, als dies unerlässlich sei.
    Meistens wusste Gahrvai Chermyns Zurückhaltung sehr zu schätzen. Meistens war er gar einer Meinung mit dem Vizekönig-General und dem Erzbischof. Aber es war ein stetiges Anwachsen deutlich unschönerer, gewalttätiger Angriffe zu beobachten. Und deren Spontanität bezweifelte Gahrvai ernstlich. Das Muster, das er im Laufe der letzten Fünftage dabei erkannt zu haben glaubte, beunruhigte ihn sehr. Und jetzt das! Es war gänzlich unmöglich, sich einzureden, Pater Tymahns Entführung, Folterung und Ermordung sei nur die impulsive Tat eines einzelnen Heißsporns. Diese Tat war sorgsam geplant und ebenso sorgsam ausgeführt worden. Sie war ebenso eine Herausforderung an die weltlichen und geistlichen Obrigkeiten, wie es eine Warnung für alle anderen ähnlich reformistisch gesinnten Priester sein sollte.
    Es gibt Zurückhaltung, und es gibt Schwäche, dachte Gahrvai grimmig. Als man Pater Tymahn ausgewählt hat, da hat sich der so genannte Widerstand ganz bewusst für einen der beliebtesten Priester der ganzen Stadt entschieden. Man hat sich bewusst dafür entschieden, jemanden zu ermorden, der für viele Liebe und Vertrauen bündelte. Man hat es getan, weil man es konnte. Es sollte ein Fanal für alle Tempelgetreuen sein, all jene, die Tymahn wahrscheinlich so sehr gehasst und verabscheut haben, wie alle anderen ihn geliebt haben. Man wollte deutlich zeigen, dass wir ohnmächtig und hilflos gegen sie sind. Ich glaube, nicht einmal der Erzbischof wird sich für ein größeres Maß an Zurückhaltung aussprechen, wenn wir diese Schlächter, die das hier getan haben, erst einmal in den Fingern haben. Aber das ist genau das Problem, was, Koryn? Du musst sie erst einmal finden, und du weißt noch nicht einmal, wo du mit der Suche anfangen sollst!
    Er verabscheute es, sich das eingestehen zu müssen. Es hatte allerdings keinen Sinn, so zu tun, als lägen die Dinge anders. Ja, Doyal und er hatten eigene Agenten,

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