Die Eiserne Festung - 7
alarmierten, wütenden Männern wimmeln.
Und das war eindeutig nicht der Fall.
Er schritt über den scherbenübersäten Teppich zu seinem Schreibtisch hinüber, setzte sich und legte den in Papier eingewickelten Stein vor sich. Mehrere Sekunden lang starrte er ihn nur nachdenklich an. Dann durchtrennte er mit einem Taschenmesser die Schnüre und wickelte das Papier ab.
Es war tatsächlich ein Umschlag. Sein Name stand in unbekannter Handschrift darauf (was Gahrvai nicht sonderlich überraschte). Ein sonderbar aufgeregtes Gefühl packte ihn, als er den Umschlag in der Hand wog und begriff, dass sich darin wirklich mehrere Bögen Papier befinden mussten. Gahrvai hatte keine Ahnung, warum sein unbekannter Briefpartner ausgerechnet diese unkonventionelle Art der Zustellung gewählt hatte. Er bezweifelte aber, dass man für eine Todesdrohung, wie leidenschaftlich auch immer sie formuliert sein mochte, mehr als ein einziges Blatt benötigte. Der Briefumschlag musste etwas anderes enthalten.
Mit demselben Taschenmesser öffnete Gahrvai den Umschlag und zog acht Bögen sehr dünnes und zweifellos recht teueres Papier hervor. Die Zeilen stammten von derselben Hand, in deren sauberen und präzisen Schrift Gahrvais Name auf dem Umschlag geschrieben stand. Gahrvai breitete die Bögen auf seiner Schreibtischunterlage aus, rückte die Lampe zurecht und las mit kaum bezähmter Neugier.
»Aufmachen! Aufmachen im Namen der Krone und der Heiligen Mutter Kirche!«
Begleitet wurde die Stentorstimme durch ein plötzliches, ohrenbetäubendes Krachen, als sechzehn Mann einen zehn Fuß langen Rammbock mit Eisenkopf gegen das verschlossene Tor rammten. Wer auch immer die Aufforderung gebrüllt hatte, war offensichtlich nicht gewillt, eine Antwort abzuwarten.
»Was?!«, schrie eine andere Stimme voller Verwirrung. »Was macht ihr? Das ist ein Haus Gottes!«
Der Mönch, der in dieser Nacht zur Torwache eingeteilt war, stürzte aus seinem kleinen Kämmerchen neben dem Tor. Hektisch rang er die Hände und lief auf das Tor der Priorei zu, während der Rammbock ein zweites Mal dagegen krachte. Der Mönch hatte das geschlossene Portal fast schon erreicht, als beide Flügel plötzlich einwärts schwangen. Ein Splitter des geborstenen Sperrbalkens traf den Mönch an der Schulter und riss ihn von den Beinen. Gequält stöhnte der Mann auf, als ein großer, schwerer Stiefel auf seinem Brustkorb landete. Er wollte schon protestieren. Dann aber erstarrte er, den Mund halb geöffnet: Die Spitze eines sehr scharf geschliffenen, sehr ruhig gehaltenen Bajonetts wurde ihm vor die Nase gehalten - keine achtzehn Zoll davon entfernt.
Und der Mann, der ihm die Waffe vor das Gesicht hielt und den Fuß auf seine Brust gesetzt hatte, war eindeutig nicht allein. Er war nur einer von mehreren Dutzend Infanteristen - einer ganzen Kompanie grimmig dreinblickender Männer, die jetzt durch das offene Tor stürmten. Weitere Bajonette glitzerten im Licht; raue Stimmen bellten Befehle, und weitere Türen barsten unter der Wucht zustoßender Musketenkolben oder den Schultern heranstürmender Männer.
Die meisten Mönche kamen jetzt schlaftrunken aus ihren Zellen gewankt; sie blinzelten verwirrt und stellten lautstark Fragen. Doch Antworten erhielten sie kaum. Stattdessen riss ein jeder Mönch ungläubig die Augen auf, als er in äußerst unfrommer Art und Weise an der Schulter gepackt, herumgewirbelt und mit dem Gesicht voran unsanft gegen Steinwände und Säulen gestoßen wurde. Keiner von ihnen hatte jemals einen derart brutalen tätlichen Angriff auf Mönche von Mutter Kirche erlebt - und schon gar nicht auf Brüder aus dem Schueler-Orden. Das Entsetzen ob einer solch unfassbaren Gottlosigkeit ließ sie erstarren. Sie waren Inquisitoren im Dienste von Mutter Kirche, Wächter und Hüter der Heiligen Gesetze. Wie konnte jemand wagen, die Heiligkeit einer ihrer Prioreien zu verletzen! Hier und da riskierte der eine oder andere Bruder sich zu wehren. Doch ein jeder von ihnen schrie bald darauf laut und gequält auf, als er mit einem Musketenkolben unsanft in die Knie geprügelt wurde.
»Wie könnt ihr es wa ...?!«, kreischte einer von ihnen und kämpfte sich wieder auf die Beine. Er beendete den Satz nicht. Das messingbesetzte Endstück einer Muskete traf ihn erneut, dieses Mal nicht mehr an der Schulter, sondern genau auf den Mund. Er sackte zu Boden, spuckte Zähne und Blut, und nur der knapp gebellte Befehl eines Sergeants verhinderte, dass die Muskete ihn
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