Die Eiserne Festung - 7
lassen, wusste doch jeder, dass sie da waren. Jeder! Also auch das Ober- und das Unterhaus. Und daher tanzten sie alle nach der Pfeife des charisianischen Vizekönigs General Chermyn.
Andererseits mochte es ja durchaus einen Unterschied geben zwischen dem, was sie nach einer Abstimmung beschlossen hatten und dem, was sie tatsächlich tun würden. Allen Berichten zufolge würde das Parlament schon bald aufgelöst werden. Sämtliche Abgeordneten würden wieder in ihre Heimatstädte zurückkehren und stünden nicht mehr ständig unter dem wachsamen Auge - und den Bajonetts - der Besatzungsmacht. Was dann passieren würde, wäre wirklich interessant! Erster Widerstand hatte sich bereits in Manchyr organisiert, zumindest ein erstes Grundgerüst. Einer von Hainrees Kontaktleuten aus diesem ›harten Kern‹ hatte ihm berichtet, außerhalb der Stadt sei es nicht anders. Natürlich war es nun erforderlich, dieses Grundgerüst, dieses ›Skelett‹ des Widerstandes, entsprechend auszubauen, es sozusagen mit Sehnen und Muskeln auszustatten. All das käme mit der Zeit. Hainree war sich sicher, dem Widerstand wüchse Kraft aus unerwarteten Quellen zu. Sein Kontaktmann etwa hatte fallen lassen, dass die Anführer des Widerstandes bereits diskret Kontakt zu diversen Parlamentsmitgliedern geknüpft hätten. Zweifellos hatten sie auch noch, ähnlich diskret, an anderen Orten den einen oder anderen Samen gesät, der beizeiten reiche Früchte tragen würde.
In der Zwischenzeit würde sich Paitryk Hainree ganz um seine eigenen kleinen Ränke kümmern und sie zu hegen und zu pflegen wissen.
Hainree war viel zu sehr in seine Arbeit vertieft, um das winzige Gerät zu bemerken, das in einer Ecke seines Kellers an der Decke hing. Selbst wenn er nicht durch die Druckpresse abgelenkt gewesen wäre, hätte er das Ding vermutlich nicht bemerkt. Es war beinahe schon mikroskopisch klein, obwohl es immer noch größer war als manches seiner Geschwister. Und hätte irgendjemand Paitryk Hainree erklärt, was dieses kleine Ding zu leisten vermochte, so hätte er diese ungeheuerlichen Behauptungen umgehend ins Reich der Märchen verwiesen.
Bedauerlicherweise für ihn hätte er sich hier getäuscht. Später an diesem Abend, in der weit entfernten Stadt Cherayth, lehnte sich ein imperialer Gardist mit einem dichten Schnurrbart, zu dem ein sauber gestutzter Kinnbart gehörte, mit geschlossenen Augen zurück und rieb sich nachdenklich mit dem Zeigefinger über eine Narbe am Kinn. Währenddessen dachte er über das Bildmaterial nach, das ihm die winzige Spionageplattform übermittelt hatte.
Diesem Meister Hainree würde ich ja zu gern einen Besuch abstatten, sinnierte Merlin Athrawes, ohne die Augen zu öffnen. Seine Freunde und er sind einfach ein bisschen zu gut organisiert für meinen Geschmack. Andererseits liegt uns allmählich ein ziemlich detaillierter Überblick über ihre gesamte Organisation vor. Das in Corisande jemanden wissen zu lassen, wäre hilfreich. Aber so einfach ist es eben nicht.
Dieser Gedanke brachte Merlin Athrawes dazu, die Lippen zu einem säuerlichen Lächeln zu verziehen. Es passte ihm gar nicht, wie viel seiner eigenen Zeit - und der von Owl, Cayleb und Sharleyan - dieses Projekt auffraß. Aber er hatte seine ferngesteuerten Aufklärerplattformen, seine SNARCs, in beachtlicher Anzahl kreuz und quer über die ganze corisandianische Hauptstadt verteilt. Sobald ein neues Mitglied dieser gerade erst entstehenden Widerstandsbewegung identifiziert war, wurde ihm eine dieser Parasiten-Plattformen dauerhaft zugewiesen. Immerhin war die interne Organisation dieser Leute nicht sonderlich ausgeklügelt. Aidryn Waimyn - jemand, mit dem Merlin wirklich gern ein paar Worte gewechselt hätte -, hatte sein Bestes gegeben, die Organisation aus einzelnen Zellen aufzubauen. Bedauerlicherweise für Waimyn waren einige seiner Mitstreiter entschieden zu einfach gestrickt und zu direkt für ein ernstlich ausgeklügeltes System. Zudem besaßen sie mehr Enthusiasmus als Geschick, sich unauffällig wie ein Profi zu bewegen. Merlins Beobachtungen nach hatte Waimyn bislang nur wenige Geheimdienstleute des Grafen Coris in die Reihen seiner Organisation eingegliedert.
Natürlich wissen wir nicht, wie lange das noch so bleibt, rief er sich ins Gedächtnis zurück.
Es gab Zeiten, in denen er sehr versucht war, in sein Aufklärer-Schwebeboot zu springen, kurz nach Manchyr zu düsen und Waimyn persönlich auszuschalten. Allzu schwierig wäre das nicht.
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