Die Eiserne Festung - 7
versammelt, folgten Unterschlag und Kolumnenschnur, und die fertig gesetzte Seite wurde aufs Setzbrett ausgeschossen und war druckfertig. Nur beharrte Hainrees Gehirn störrisch darauf, jedes einzelne Wort zu lesen, während er die Lettern anordnete. Daher war er stets versucht, die spiegelverkehrten Lettern richtig herum, statt, wie es der Druck erforderte, umgekehrt zu Zeilen zusammenzufügen.
Auch wenn einen Text zu setzen ein gänzlich anderes Handwerk war als die Silberschmiedekunst, gab es Ähnlichkeiten, die Hainree die Arbeit leichter von der Hand gehen ließen. Er hatte schon immer Freude an kleinen Details gehabt, hatte sich schon immer gerne auf winzige Einzelheiten konzentriert. Er arbeitete gerne mit Metall, und ihm gefiel, dass man Auge und Hand dabei so perfekt koordinieren musste. Wieder handwerklich tätig zu sein statt als Agitator auf der Straße, besaß zudem viel Reiz für ihn.
Er griff nach der nächsten Letter. In Gedanken aber beschäftigte ihn anderes. Die Plakate, die er gerade setzte, sollten von hier aus - einem Keller der Stadt, in dem sorgfältig verborgen eine Druckpresse stand - durch ein ganzes Netzwerk engagierter Unterstützer weiterverteilt werden. Morgen Abend würden sie dann überall in der Stadt hängen. Natürlich wären schon am nächsten Morgen die Stadtwachen damit beschäftigt, sie allesamt wieder abzureißen. Nicht alle Stadtwachen kämen dem Befehl gern nach - dessen war sich Hainree sicher. Aber sie würden gehorchen. Dafür würden der ›Regentschaftsrat‹ und dieser verräterische Mistkerl Gahrvai schon sorgen!
Hainree stellte fest, dass er vor Zorn schon wieder die Kiefermuskeln angespannt hatte. Er zwang sich, sich zu entspannen. Irgendwann gehorchten ihm die Muskeln sogar ... zumindest ein wenig. Tief atmete er durch. Allein schon an Sir Koryn Gahrvai zu denken, reichte aus, puren Zorn durch jede einzelne von Hainrees Adern pulsieren zu lassen. Wenn Hainrees Grundstimmung freundlicher war, war er bereit, Gahrvais Niederlage in Unfähigkeit, aber auch schlicht Pech begründet zu sehen. Shan-wei schien sich offenkundig nun einmal um die Ihren zu kümmern. Aber nach seiner Niederlage hatte Gahrvai das Kommando über die Truppen übernommen, die, Schande über Schande, bereit waren, Ahrmahk in Corisande zu Willen zu sein - und das war lupenreiner Verrat! Verräter ist Verräter -, da drängte sich einem doch die Vermutung förmlich auf, dass das, was Unfähigkeit und Pech gewesen zu sein schien, auch schon Verrat gewesen war! Hatte es vielleicht von Anfang an schon eine Art stillschweigende Übereinkunft zwischen Gahrvai und den Angreifern gegeben?
In freundlicherer Stimmung gestand Hainree Gahrvai zu, aus Opportunismus das von den Invasoren ihm angetragene Kommando angenommen zu haben. Das spräche den Mann dann wieder vom Verdacht des Verrates frei. Hainree war sich bewusst, dass es beim derzeitigen Kenntnisstand voreilig wäre, Gahrvai und seinen Vater zu beschuldigen, schon vor Abschluss der Kampfhandlungen mit Cayleb gemeinsame Sache gemacht zu haben. Um das zu begreifen, hätte es Pater Aidryns dezenten Hinweises nicht bedurft. Vielleicht aber wusste man bald mehr, beispielsweise, wenn die Frage nach den Hintermännern des Attentats auf Prinz Hektor endlich beantwortet wäre. Hainree war sich sicher, wie diese Antwort lauten würde, lauten musste. Wer schon als diejenigen, die am meisten vom Tod des Fürsten profitierten, sollten den Mord geplant haben? Und wer war das? Dieser so genannte Regentschaftsrat, wer sonst! Die Kerle da konnten sich noch so sehr Prinz Daivyns ›Berater‹ nennen - es änderte nichts daran, wem sie tatsächlich Rechenschaft schuldig waren! Und eins war sicher: Ihnen war es nicht nur gelungen, hier zu überleben, nein, sie waren aus der Krise mit noch mehr Einfluss als je zuvor hervorgegangen. Für Hainree ließ das keine Fragen offen.
Und dann noch dieses verdammte Parlament, das so bereitwillig kapituliert hat!, dachte Hainree grimmig. Mit mürrischer Miene betrachtete er den Winkelhaken in seiner Linken. Vermutlich war es unvernünftig zu erwarten, dass das Parlament des Fürstentums sich Ahrmahk widersetzte, wenn der ›Regentschaftsrat‹ sich Ahrmahks Willen schon gebeugt hatte und Corisande von annähernd sechzigtausend Charisian Marines besetzt war. Zwanzigtausend Marines hatte Chermyn allein hier in Manchyr. Auch wenn Chermyn sich redlich Mühe gab, seine Soldaten nicht allzu offenkundig durch die Straßen stolzieren zu
Weitere Kostenlose Bücher