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Die Eiserne Festung - 7

Die Eiserne Festung - 7

Titel: Die Eiserne Festung - 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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hoffnungslos waren. Aber noch etwas trieb sie um: So sehr sie Ahnzhelyk vertraute und so effizient sie auch stets gearbeitet hatte, Lysbet wagte nicht, alles auf eine Karte, auf Ahnzhelyk, zu setzen. Deswegen waren für Lysbets älteste Tochter (nun, eigentlich ja ›Stieftochter‹, auch wenn Lysbet die einzige Mutter war, die Erais je gekannt hatte) gänzlich andere Vorkehrungen getroffen worden, um sie zusammen mit ihrem Ehemann der Inquisition zu entziehen. Lysbets Vermutung nach war Ahnzhelyk das überhaupt nur möglich gewesen, weil Lysbet ihrem Mann signalisiert hatte, sie käme nach Zion. Weil sie so offenkundig willig gewesen war, geradewegs ins Netz der Spinne hineinzulaufen, hatte die Inquisition Personen wie Sir Fraihman Zhardeau, seiner Gemahlin und ihrem gemeinsamen Sohn einfach nicht mehr ganz so viel Beachtung geschenkt.
    Lysbet hatte stille, aber doch tief empfundene Dankbarkeit verspürt, als Ahnzhelyk ihr berichtet hatte, Fraihman, Erais und der kleine Samyl seien tatsächlich entkommen ... zumindest vorerst. Doch als sie jetzt, unter einem windpolierten Himmel aus gefrorenem Blau, über den vereisten Bürgersteig schritt und dabei immer wieder Schneeverwehungen ausweichen musste, spürte Lysbet wieder Verzweiflung, eine ihr inzwischen vertraute Last auf den Schultern. Die verzweifelte Sorge galt weder ihrer eigenen Sicherheit noch der ihrer Kinder und ihres Enkels. Denn Lysbet hatte nicht die Absicht, unvorsichtig zu werden, auch wenn die Inquisition sie sicher schon gefunden hätte, wäre es ihr denn möglich. Nein, diese Verzweiflung, die an Lysbets Herzen nagte, verspürte sie wegen ihres Ehemanns und all dessen, was durch harten Kampf zu erreichen er erhofft hatte. Lysbet verzweifelte wegen all der Freunde und Kollegen, die ihnen stets die Treue gehalten und sie unterstützt hatten ... und die zusammen mit Lysbets Gemahl einem sicheren und qualvollen Tod entgegengingen.
    Sie alle haben Samyl aus freien Stücken unterstützt, dachte sie. Sie zog den Poncho noch dichter um sich, als der Wind mit messerscharfen Zähnen zwischen den Häusern zu beiden Seiten der Straße hindurchpfiff. Sie alle waren ebenso zornig und entschlossen wie er. Sie alle kannten die Folgen. Doch zu wissen, dass es geschehen wird, dass jemand wie dieser gierige, widerliche Dreckskerl Clyntahn obsiegen wird ...!
    Lysbet wusste nicht, dass ihr Schwager genauso dachte wie sie. Sie wusste nichts von seinem Zorn auf Gott, weil Er zuließ, was nicht hätte passieren dürfen. Hätte sie es jedoch gewusst, so wäre sie nicht überrascht gewesen. Sie kannte Hauwerd ebenso lange, wie sie Samyl kannte, und in vielerlei Hinsicht waren sich Hauwerd und sie einander ähnlicher als Samyl und sie. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie sich von Anfang an immer ungleich mehr zu Samyl hingezogen gefühlt hatte als zu Hauwerd - zumindest als Gemahl und als Geliebter. Als Schwager war Hauwerd schon immer ihr Favorit gewesen. Er stand ihr sogar näher als ihre beiden eigenen Brüder (nicht, dass Lysbet das jemals zugegeben hätte!). Es gab einen Grund dafür, dass sie so froh darüber war, wie sehr Tohmys nach seinem Onkel schlug: Sie hätte sich kein besseres Vorbild für ihn vorstellen können.
    Sie erreichte die Kreuzung von Hahriman- und Marktstraße. Sie lag auf halbem Weg zwischen ihrer billigen, äußerst karg eingerichteten Wohnung in einer echten Mietskaserne und dem drittgrößten Markt von Zion. Kurz blickte Lysbet auf die andere Straßenseite, zum Geschäft der Putzmacherin hinüber.
    Sie hielt nicht an, als sie die Ecke erreichte, nicht einmal ihr Schritt verlangsamte sich. Erst danach riss Lysbet die Augen auf, ehe sie sie wieder zu schmalen Schlitzen verengte. Ihr Blick war auf das Schaufenster gefallen. Ein Ballen blauen Stoffs - Stahldistelseide, dachte sie - lag dort zur Schau gestellt. Die Kohlenträger, die das Geschäft allmorgendlich belieferten, mussten zudem heute zumindest ihre Ladung gleich hinter dem Gatter zum Lieferanteneingang abgeladen haben, wenigstens teilweise. Denn dort lagen Kohlen: Lysbet hatte die glitzernd-schwarzen Brocken gesehen, überdeutlich zu sehen vor dem grauweißen Schnee. Sie lagen gerade weit genug jenseits des Gatters, dass keiner der verzweifelten Armen der Stadt sie stehlen konnte.
    Ein einziger Blick hatte ausgereicht, um Seide und Kohle zu bemerken. Lysbet senkte den Kopf noch ein wenig tiefer, als sie nun geradewegs dem Wind entgegenstapfte.
    Dann weiter bis zum Markt, dachte sie.

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