Die Eiserne Festung - 7
anderen fünf Familien hielt, die sie irgendwo hier in Zion versteckt hatte. Merlin wusste nur, dass wieder einmal sie es gewesen war, die den Kontakt überhaupt hergestellt hatte.
Endlich war es ihm gelungen, Lysbet und Tohmys Wylsynn aufzuspüren. Nachdem er die Aufzeichnungen der Wanzen betrachtet hatte, die er unbemerkt Lysbet hatte anheften können, war ihm klar geworden, dass Samyl Wylsynn gewusst haben musste, was kommen würde. Doch Wylsynn war nicht bereit gewesen - oder nicht in der Lage -, den Rest des ›Kreises‹ zu informieren. Merlin fiel kein guter Grund ein, was einen Mann von Wylsynns unverkennbarer Integrität davon abhalten mochte, diese Information weiterzugeben, aber es gab einen - da war er sicher. Ebenso offensichtlich war für Merlin, dass Ahnzhelyk genau wusste, was bevorstand. Deshalb hatte sie den Kontakt zu den anderen Familien hergestellt, hatte sie in Verstecke gelotst, ohne das mit den Familienvätern und Ehemännern im Vikariat abzusprechen.
Diese armen Kerle fragen sich vermutlich, ob ihre Frauen und Kinder tatsächlich Clyntahn haben entkommen können - vorerst, zumindest -, oder ob dieser Mistkerl sie nicht schon längst in Gewahrsam genommen hat und irgendwo versteckt hält, dachte Merlin grimmig. Großer Gott, mir war überhaupt nicht klar, was für ein Sadist Clyntahn ist! Wenn der ›Kreis‹ - oder zumindest Wylsynn - das schon seit so langer Zeit kommen sieht, wie ich das vermute, schaut dieses Schwein denen schon seit Monaten dabei zu, wie sie sich vor Qualen winden! Und nach allem, was ich bislang gesehen habe, genießt er jeden einzelnen Moment davon.
Zhaspahr Clyntahn hatte keine Ahnung, welches Glück er hatte, dass er nie das Gebiet des Tempels verließ. Manchmal beschwor Merlin das Schicksal, Clyntahn wenigstens ein einziges Mal einen Teil der Stadt betreten zu lassen, in dem Merlin ihn erwischen konnte, ohne dabei das Risiko einzugehen, irgendein unidentifiziertes Sensorsystem oder eine automatisierte Reaktion des Tempels auszulösen. Geschähe dies, verließe er den Tempel, wäre Clyntahn ein toter Mann. Merlin würde keinen Wimpernschlag lang zögern.
Leider waren die Aussichten dafür gleich null. Zumindest in absehbarer Zeit. Nicht rasch genug, um auch nur ein einziges der Opfer auf Clyntahns Liste zu retten. Merlin war gezwungen, das zu akzeptieren. Also konzentrierte er sich ganz darauf, die Angehörigen dieser Opfer aus den Tempel-Landen zu schaffen - und die Mitarbeiter von Ahnzhelyks Organisation, wie groß sie auch sein mochte.
Und genau das ist auch der Grund für den heutigen Besuch, rief er sich ins Gedächtnis zurück und griff nach Zhevons' Mantel.
»Guten Abend, Ahbraim«, sagte Ahnzhelyk Phonda, ein herzliches Lächeln auf den Lippen.
»Guten Abend, meine Liebe!« Wieder beugte sich Merlin über ihre Hand und küsste sie galant. Vielleicht ist einer der Gründe, warum ich von mir immer als Merlin denke und nicht als Nimue, dachte er, dass Nimue nie an Frauen interessiert war. Merlin hingegen ...
Rasch schob er den Gedanken beiseite. Es spielte momentan kaum eine Rolle, welche sexuellen Neigungen Nimue, ohne es vielleicht zu wissen, gehabt hatte, oder ob Merlin etwas sehr Menschliches und Männliches an sich entdeckt hatte. Sich Sorgen um etwas zu machen, was auf einem ganzen Planeten für niemanden sonst auch nur ansatzweise von Belang war, war nun wirklich Spielerei.
»Es freut mich, dass Sie heute Abend Zeit für uns finden konnten«, fuhr Ahnzhelyk fort. »Auch wenn an einem Abend wie diesem die Gesellschaft ein wenig spärlicher ausfällt als sonst.«
»Das wundert mich nicht.« Merlin neigte den Kopf zur Seite und lauschte dem Wind, der heulend um Ahnzhelyks Stadtvilla pfiff.
Die Temperatur lag acht Grad unter null - acht Fahrenheit, also in der auf Terra gebräuchlicheren Skala bei minus zweiundzwanzig Grad Celsius -, und sie fiel immer noch. In Böen erreichte der Wind Geschwindigkeiten von fast vierzig Meilen in der Stunde, und Merlin wusste genau: Während er sich hier in Ahnzhelyks gemütlich beheiztem Stadthaus aufhielt, erfroren draußen auf der Straße Männer und Frauen - und Kinder. Er wusste von dem Geräteschuppen auf Ahnzhelyks Grundstück, und von den vier armen Familien, die dort diesen Winter verbringen durften. Er wusste, dass Ahnzhelyk die Hütte gegen Schnee und Regen abgedichtet hatte, so wie jeden Winter. Dass sie dafür gesorgt hatte, dass genug Kohle für den eigens in der Hütte aufgebauten Kachelofen vorhanden
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