Die Eiserne Festung - 7
Beweise. Andererseits hatten einige Bemerkungen in dem Download, den Commodore Pei hinterlassen hatte, auf eine derartige Denkweise schließen lassen. Es war durchaus möglich, dass Chihiro und Schueler (die anscheinend zu den Anführern der ›Erzengel‹ aufgestiegen waren, nachdem der winzige Nuklearsprengsatz in Commodore Peis Brusttasche das ursprüngliche Hauptquartier völlig zerstört hatte), sich die gleiche Denkweise zu eigen gemacht hatten. Es war auch durchaus wahrscheinlich, dass sie das neue Hauptquartier ganz bewusst an der gewohnten Stelle errichtet hatten, um den Sieg der ›Mächte des Lichts‹ über Shan-weis ›Finstere Legionen der Hölle‹ noch mehr zu betonen. Genauso, wie sie den gesamten Tempel als greifbare Mahnung an die Macht der ›Erzengel‹ gebaut hatten.
Das war doch sehr sinnig, dachte Merlin erneut und schaute zu, wie der scharfe, schneidende Wind die Schneeflocken tanzen ließ. Denn nachdem der Commodore so viele von Langhornes Leuten in den Tod gerissen hat, brauchten sie etwas, um den Kolonisten weiszumachen, die ›Erzengel‹ wären letztendlich immer siegreich. Bei so vielen Verlusten keine einfache Sache. Wenn da nicht zu recht drastischen Mitteln gegriffen worden wäre, wäre der Versuch glatt gescheitert.
Welche Logik auch immer dahinterstecken mochte, auf jeden Fall war die Region um Zion denkbar ungeeignet für die größte Stadt von ganz Safehold - zumindest im Winter. Im Sommer sah das ein wenig anders aus. Nur war der Sommer in Zion ein sehr kurzes Vergnügen, eines, das noch einige Zeit auf sich warten ließe - und das wirkte sich recht unschön auf ›Ahbraims‹ unmittelbar bevorstehende Pläne aus.
Merlin hatte Ahnzhelyk Phonda tatsächlich die ganze Zeit über im Auge behalten. Dabei hatte er äußerste Vorsicht walten lassen, hatte Fernsonden verwendet, die ihre Daten aufzeichneten und dann physisch wieder zurückgeholt wurden, statt ihre Daten an die Kommunikationsantennen im Orbit zu senden. Das schränkte natürlich die Überwachungsmöglichkeiten drastisch ein. Allerdings bot es Merlin zusätzlichen Schutz, und das schien ihm, gerade angesichts dieser unbekannten Energiequellen unter dem Tempel, mehr als ratsam.
Bedauerlicherweise verhinderte das jedoch auch, dass er - oder Owl - besagte Fernsonden während des Betriebs auf neue Positionen verteilen konnte, wie er das sonst überall auf Safehold zu tun pflegte. In Zion konnte er seine Sonden nicht ausschicken, damit sie einzelne Personen verfolgten. Merlin erhielt also weniger vollständige Informationen, als ihm das lieb war. Trotzdem hatte er im Laufe des letzten Fünftages begriffen, dass Ahnzhelyk ihr gefährliches Spiel sogar noch länger betrieb, als er das nach Adorais Bericht angenommen hatte. Er war mittlerweile zu dem Schluss gekommen, Ahnzhelyk habe sich an Samyl Wylsynn gewandt, nicht anders herum.
Als ihm dieser Gedanke das erste Mal gekommen war, hatte Merlin ihn noch verworfen. Ahnzhelyk schien, trotz ihrer Fähigkeiten, nur die Drehscheibe für Informationen und deren Weitergabe in Wylsynns Organisation zu sein. Wylsynn war eindeutig der Motor der Reformbewegung. Eines wusste Merlin nämlich dank Paityr Wylsynn in Charis und dank der Sonden in Tellesberg, mit denen er Adorais Unterlagen durchgesehen hatte (selbstverständlich mit Staynairs ausdrücklicher Erlaubnis): Die Familie Wylsynn arbeitete schon seit mehreren Generationen daran, das Vikariat zu reformieren. Aus diesem Wissen heraus hatte Merlin angenommen, Samyl müsste Ahnzhelyk angeheuert haben.
Tja, da habe ich mich wohl getäuscht, sinnierte er, denn es war wohl so: Ahnzhelyk hat Samyls Organisation bemerkt, und sie hat ihm von sich aus angeboten, die Kommunikation für ihn zu organisieren. Aber bevor sie Kontakt zu ihm aufgenommen hat, hatte sie schon längst ihre eigene Organisation. Deswegen konnte sie ja auch Adorai und die Jungs so geschickt aus den Tempel-Landen fortschaffen. Und genauso hat sie auch Lysbet Wylsynn und die anderen ›verschwinden‹ lassen.
Es gab immer noch viele Dinge über Ahnzhelyk Phonda, die Merlin bislang noch nicht herausgefunden hatte. Gewiss, dass er sie nicht hatte herausfinden können, trotz aller Vorteile, auf die er zurückgreifen konnte - selbst hier in Zion, wo er im Vergleich zu anderen Reichen deutlich eingeschränkter in seinem Handeln war -, mochte durchaus erklären, wie sie so lange der Inquisition hatte entgehen können. Merlin hatte schlicht keine Ahnung, wie sie Kontakt zu den
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