Die Eiserne Festung - 7
ersten Mal dachte er darüber nach, wie wünschenswert es doch wäre, einen neuen Sessel in Auftrag zu geben, in dem der jetzige König von Tarot nicht aussah wie ein kleines Kind, das auf einem Erwachsenenstuhl hockte. Rein von der Warte der politischen Psychologie betrachtet, von der Wirkung, die dieser Sessel hatte, wenn Gorjah versuchte, bei einer Ratssitzung machtvoll und dominant zu erscheinen, sprach sehr viel für ein neues Möbelstück. Aber leider war dieser Sessel beinahe schon sündig-bequem. Abgesehen davon hatte seinerzeit der damalige Prinz Gorjah so manche Stunde auf dem Schoß seines Vaters verbracht, und zwar in genau diesem Sessel. Jedes Mal, wenn Gorjah sich hineinsetzte, ging ihm die Erinnerung daran wieder durch den Kopf - vor allem in den letzten Jahren, als sein kleiner Sohn Rholynd, sich auf Gorjahs Schoß in diesem Sessel zusammengekuschelt hatte.
Ich frage mich, ob er jemals in diesem Sessel sitzen wird?, dachte der König verdrossen. Ach, eigentlich frage ich mich, wie lange ich noch darin sitzen darf!
Beides waren durchaus berechtigte Fragen, und die Antworten, die sich ihm geradezu aufdrängten, gefielen Gorjah ganz und gar nicht.
Cayleb von Charis hatte ganz offensichtlich Grund, seinen Kopf zu fordern. Denn Tarot hatte gegen die Bedingungen des bilateralen Bündnisses mit Charis verstoßen - und wie! Schlimm genug, dass Tarot sich mit seiner Flotte an dem großen Angriff auf Charis beteiligt hatte, aber leider hatte Gorjah es dabei ja nicht bewenden lassen. Oh nein! Er hatte die Anweisungen Kanzler Trynairs befolgt, wie sich das für einen braven kleinen Handlanger gehörte, und hatte König Haarahld auch noch angelogen. Hoch und heilig hatte er versprochen, die Verpflichtungen, die ihr Bündnis ihm auferlegte, in Ehren zu halten, während er gleichzeitig Baron White Ford den Befehl erteilt hatte, zur Royal Dohlaran Navy hinzuzustoßen. Haarahld war in der folgenden Schlacht gefallen - noch ein Minuspunkt auf Gorjahs Konto. Gorjah konnte sich nur damit trösten, dass an der Schlacht im Darcos-Sund keine seiner Schiffe beteiligt gewesen waren. Also konnte er anführen, er persönlich habe nicht zu Haarahlds Tod beigetragen ... nicht, dass er damit rechnete, dieser feine Unterschied würde allzu großen Eindruck auf Haarahlds Sohn machen.
Bedauerlicherweise war Cayleb nicht der Einzige, um den sich Gorjah Sorgen machen musste. Ja, wäre Cayleb tatsächlich seine einzige Sorge gewesen, wäre der König vermutlich deutlich besserer Laune. Doch so sehr er sich auch bemüht hatte: die ›Vierer-Gruppe‹ schien der Ansicht zu sein, er habe sich arg ungeschickt angestellt als Verräter, Schurke und allgemeines Kameradenschwein. Ehrlicherweise konnte Gorjah dem nicht einmal widersprechen. Er hatte es versucht -ja, wirklich versucht! Doch jemand aus seinem Hof hatte Haarahld die Pläne der Ritter der Tempel-Lande verraten und damit auch Gorjah fein säuberlich ruiniert.
Gorjah wusste immer noch nicht, wer für diesen Verrat verantwortlich war. Das lag nicht daran, dass er nicht versucht hatte, es herauszufinden.
Seine skrupellose, akribische Untersuchung hatte alles Mögliche an interessanten Dingen über seine Adeligen und seine Würdenträger zutage gefördert - von unbedeutenden Kavaliersdelikten über Bestechung bis hin zu Erpressung. Zweifellos nützliches Wissen, ja, dachte er. Wenigstens hatte er seinem Adel und seinen Bürokraten so kräftig die Hölle heißgemacht, dass die Überlebenden jetzt voller Hingabe darauf hinarbeiteten, ihre Arbeit effizient - und vor allem ehrlich - zu erledigen, so wie es Tarot seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte. Wahrscheinlich sogar schon seit Generationen nicht mehr. Doch Gorjahs sämtliche Bemühungen waren gescheitert, auch nur eine Spur zu entdecken, wie die Pläne der ›Vierer-Gruppe‹ nach Charis hatten gelangen können.
In seiner Korrespondenz mit Vikar Zhasyn hatte Gorjah respektvoll darauf hingewiesen, seine Ermittlungen seien durch Bischof-Vollstrecker Tyrnyr persönlich und auch Pater Frahnklyn Sumyr, seinen Intendanten, unterstützt worden. Außerdem hätten sich sämtliche Mitarbeiter der Inquisition hier in Tarot mit Feuereifer auf diese Aufgabe gestürzt. Aber allen Bemühungen zum Trotze habe man keine Spur zu dem Verräter entdeckt. Vielleicht, so hatte der König so diplomatisch wie irgend möglich angemerkt, sei das ein Hinweis darauf, dass sich dieser Patzer hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen doch nicht in Tarot
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