Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
Und Bushke hat uns nicht mehr gehen lassen.«
Sie schaute ihn zweifelnd an. »Ihr seid aber hier.«
»Nun, es gibt eine Möglichkeit – springen. Zwischen Gottesdienst und Feldarbeit haben wir aus dem Abfall, den wir gefunden haben, einen Gleitsegler gebaut.«
Yasmeen zog einen Zigarillo aus ihrem Etui und runzelte verärgert die Stirn, als ihr wieder einfiel, dass sie ihn nicht anzünden durfte. »Das war das letzte Mal, dass Scarsdale über Sprunghöhe war, ohne vorher an einer Flasche zu nuckeln.«
»Oh.« Das war es also. Mina biss sich vor Mitgefühl auf die Lippen. »Wurde er verletzt?«
»Nein. Der Gleitsegler fiel auf halbem Weg auseinander, doch wir schafften es bis zur Küste«, erzählte Trahaearn. »Allein dass er sah, wie Teile der Flügel abbrachen, reichte aus, um ihm für alle Zeiten Angst vor großen Höhen einzujagen. Ich war nur froh, dass wir es bis ans Land geschafft haben. Ich gehe nämlich wie ein Stein unter.«
Mina würde es genauso ergehen, doch nur, weil sie nicht schwimmen konnte. Sie hatte keine Knochen aus Eisen. »Und trotzdem seid Ihr Piratenkapitän?«
»Solange die Terror schwimmt, besteht keine Gefahr.«
Sein Grinsen verursachte ihr Schmetterlinge im Bauch und entlockte ihr ebenfalls ein Lächeln. Wo war seine Distanziertheit geblieben? Sie war verschwunden – und Mina fühlte sich nicht länger müde und krank und einsam. Vielleicht hatte das eine mit dem anderen nichts zu tun. Sie wusste es nicht. Doch sie wollte noch nicht in die Gästekabine zurück.
Yasmeen schaute noch einmal durch das Fernrohr, bevor sie es senkte. »Er bewegt sich jetzt in östlicher Richtung, aber wir warten besser bis zum Morgengrauen, bevor wir die Maschinen wieder anwerfen. Unsere Abgasspur ist im Mondlicht zu leicht zu erkennen.«
Mina blickte hinauf zu der weißen Hülle. »Der Ballon nicht?«
»Wenn wir südlich von ihm oder zwischen ihm und dem Mond wären, wären wir leichter zu sehen. Doch dort sind ein paar Wolken, also dürften wir keine Probleme bekommen.«
Trotz dieser Versicherung wollte Yasmeen es anscheinend nicht dem Zufall überlassen. Sie sagte zu Trahaearn: »Ich brauche dringend Schlaf. Passt du auf sie auf?«
Er nickte. »Ich kümmere mich um sie.«
»Ich habe drei Leute auf Wache, zwei von ihnen in New Edens Richtung.« Sie winkte den Mannschaftsmitgliedern zu, die an der Seitenreling standen. »Sie geben Rufzeichen. Doch wenn sie ihre Augen schließen, außer um zu blinzeln, wirf sie über Bord. Ein Teil der Mannschaft schläft unten bei den Maschinen. Wenn Bushke die Richtung ändern sollte, gib Alarm durch das Rohrtelefon, bevor du mich weckst. Dann versuch den Fliegern zu entwischen.«
»Aye aye, Kapitän«, sagte er.
Ihr Lachen wurde zu einem Gähnen. »Ich geh dann mal.«
Und Trahaearn drehte ebenfalls eine Runde auf Deck, sprach mit den Mannschaftsmitgliedern und überprüfte die Geschützreihen, wie sie bemerkte. Mina nahm ihren Platz im Bug wieder ein. Zum ersten Mal brauchte sie ihre Schutzbrille nicht. Die Nacht war warm, und nur eine schwache Brise bewegte die Luft, während das Luftschiff über dem dunklen Nichts schwebte.
Sie lauschte dem Gemurmel der Wachen und Trahaearns leiser Stimme. Schwere Schritte verrieten ihr, dass er näherkam. Mina war es nicht gewohnt, auf dem Schiff etwas anderes zu hören als die Maschinen und den Wind. Jetzt hörte sie nur Schritte und das Pochen ihres Herzens.
Er blieb neben Minas Holzkiste stehen, die dunklen Augen im Schatten. »Beim Abendessen sagte Yasmeens Mädchen, du hättest einen Sonnenstich.«
Sonnenstich. Das hatte sie noch nie gehört, doch das musste es wohl gewesen sein. »Es geht mir wieder gut.«
»Ja. Aber ich habe dich den ganzen verdammten Tag im Auge gehabt. Ich hätte … «
»Es geht mir gut.« Seltsam, dass sie ihn beruhigen musste. Doch es war so.
Er nickte und setzte sich zu ihr. Sie folgte seinem Blick zu der Luftschiffstadt. Ohne Fernglas wirkte sie lediglich wie ein kleiner dunkler Fleck unterhalb des Mondes.
»Was passiert, wenn sie kommen? Müssen wir die Rettungsgleiter benutzen?« Sie hatte sie überall auf dem Schiff gesehen. Zusammengefaltet und an den Schotten befestigt.
»Yasmeen würde das Schiff nicht aufgeben«, sagte er. »Sie würde es lieber in die Luft jagen. Und wir sind über dem Nigerdelta. Wenn wir die Gleitsegler benutzen, leben wir vielleicht noch zwei Minuten, wenn wir am Boden angekommen sind.«
Ein Schauer durchfuhr sie. »Zombies?«
»Nicht so schlimm wie im
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