Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
vorfand. Rhys schenkte sich selbst einen Brandy ein, und sein Blick wanderte durch den großen Raum. Er hasste seine Größe. Als er das Haus gebaut hatte, hatte er es mit riesigen Zimmern versehen und geglaubt, dass er den Platz nach Jahren, die er in engen Räumen zugebracht und sich unter niedrige Decken geduckt hatte, genießen würde. Stattdessen ging er ihm auf die Nerven.
Nicht so Scarsdale. Der Bounder lag mit geschlossenen Augen ausgestreckt auf dem Sofa. »Cyclops Cushing hat Rache geschworen, nachdem du ihm die Cerberus unter dem Hintern weggenommen hast, aber er hat auf mich nicht einen so dummen Eindruck gemacht, als dass er einen Mann auf unser Haus werfen würde.«
Er lallte. Selbst wenn man eine Waffe auf ihn richten würde, würde er nicht höher als den ersten Meter des Hauptmastes klettern. Wenn er annahm, dass der Mann aus einem Luftschiff geworfen worden war, war Rhys von seiner Gedankenschärfe überrascht.
Auch wenn der Schnaps die Zunge des Navigators lösen mochte, beeinträchtigte er doch nie seinen Geist. Das konnte Rhys von sich nicht behaupten. Er stellte den Brandy unberührt auf seinen Schreibtisch.
Scarsdale rappelte sich in eine halb sitzende Position hoch. Er bedeckte sein linkes Auge mit dem leeren Glas und öffnete das rechte. »Also noch einmal. Ich habe gehört, Cyclops hat sich die Syphilis von einer holländischen Hure geholt, und er war nicht schlau genug, sich Bugs dagegen zu besorgen. Wenn die Syphilis erst einmal von deinen Kronjuwelen in dein Gehirn gewandert ist, kannst du verblöden.«
»Selbst mit Syphilis hätte Cushing das nicht gewagt.« Und die meisten von Rhys’ Feinden hätten nicht jemanden getötet, den er nicht einmal gekannt hatte – sie hätten etwas Persönliches daraus gemacht. Nicht einen Fremden aus einem Luftschiff geschubst, als wollten sie Müll entsorgen.
»Was ist mit der Schwarzen Garde?«, schlug Scarsdale vor. »Vielleicht haben sie herausgefunden, wie du ihnen ihre Schmuggelroute aus Wales heraus abgeschnitten hast.«
Vielleicht.
Doch selbst wenn die Schwarze Garde herausgefunden hatte, dass er für das Tauchboot bezahlt hatte, das die Sklavenschiffe in diesen Gewässern terrorisierte, bis selbst die waghalsigsten Söldner nicht mehr an der Küste entlangsegeln wollten, glaubte Rhys nicht, dass sie Vergeltung üben würden. Wer auch immer die Mitglieder der Schwarzen Garde waren, sie waren verschwiegen, was ihre Aktivitäten und Pläne anging – und ihm zu drohen, wäre so, als würde man mit einem roten Tuch vor einem Stier wedeln. Sofern sie ihre Taktik nicht geändert hatten, würden sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nein, sie würden sich einfach eine neue Schmuggelroute suchen und weiter Sklaven verkaufen, um ihr Regiment zu finanzieren.
»Natürlich, Mad Machen hat vierzehn ihrer Sklavenhändler getötet, und sie haben ihn nicht abgeknallt – oder eine Leiche auf seinem Schiff abgeworfen.« Scarsdale wankte leicht, bevor er den Kopf wieder auf die Sofalehne bettete. »Vielleicht galt die Drohung gar nicht dir. Irgendjemand hat womöglich mitbekommen, dass ich hier bin.«
Ja . Die meisten seiner Mannschaft hatten sich irgendwo Feinde gemacht. Konnte sein, dass die Inspektorin das jetzt herausfand. Doch selbst wenn sie es ihr nicht verrieten, hatte sie einen verdammt raschen Verstand. Kriminalinspektorin Wilhelmina Wentworth würde die fehlenden Puzzleteile selbst hinzufügen.
Verflucht sei St. John dafür, dass er sie hierher gebracht hatte.
Und verflucht sei auch Rhys’ eigene Arroganz, dass er die Inspektorin und ihren Konstabler nicht in dem Moment zum Tor hinausgejagt hatte, als sie hier angekommen waren. Doch er war sich sicher gewesen, wie ihr Besuch verlaufen würde: Die Inspektorin war eine diensteifrige Schnüfflerin. Rhys hatte herausfinden wollen, ob sie für ihn von Nutzen sein konnte, jetzt oder in Zukunft. Dann hatte er die Inspektorin wieder wegschicken und die Suche nach dem Feigling, der ihn behelligt hatte, fortsetzen wollen.
Er konnte noch immer nicht sagen, wann genau sie begonnen hatte, ihn aus der Fassung zu bringen. Vielleicht in dem Moment, als sie sich zum ersten Mal zu ihm umgedreht hatte, ihre Intelligenz und Entschlossenheit einer Maske gleich. Oder vielleicht, als er die leichte Erregung bemerkt hatte, als er ihr den Handschuh abgestreift hatte.
Er hatte auch nicht das Begehren erwartet, das er im Gegenzug gespürt hatte – nicht für eine Kriminalkommissarin mit kalten,
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