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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Arbeitsunfall.«
    »Mit seiner Hand?«
    »Eine Zinkwanne ist draufgefallen.«
    »Eine Badewanne?«
    »Hör auf zu lachen – oder ich lass dich den Rest von dem Senf schlucken.«
    »Aber wie -?«
    »Sie gebrauchen sie als Tröge für das Schweinefutter. Waren beim Umladen. Ist meinem Vater auf die Hand gefallen. Hat sie total zerquetscht.«
    »Oh weh! Der Arme!«
    »Er hockt nur noch zu Hause und meckert rum.«
    »Und dein Vater, Marcus?«
    » Mein Vater? Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Irgendwas in’ner Fabrik. Nachtschicht.«
    »Dann hat er nichts gesagt wegen heute Nacht?«
    »Warum sollte er?«
    Marcus begann wieder, in dem Buch zu blättern. Emily schaute ihn an. »Was hast du ihm denn gesagt?«, fragte sie. »Wegen heute.«
    Er schien nicht gehört zu haben und blätterte weiter.
    »Hey, Marcus, hallo«, sagte sie. »Keine Geheimnisse heute. Simon und ich haben über unsere Eltern geredet und solche Sachen. Hast du damit ein Problem?«
    Marcus blickte auf. »Ich hab nicht gehört, dass du groß was gesagt hast.«
    »Was willst du denn gern wissen? Es gibt da nicht viel zu erzählen.«
    »Bei mir auch nicht.«
    »Okay. Bei mir zu Hause. Also...« Emily runzelte die Stirn und begann die wichtigen Punkte an ihren Fingern abzuzählen. »Es gibt mich, meine Mutter, meinen Vater. Von meinem Vater kriegt man nicht viel mit. Am Wochenende bringt er meistens Arbeit mit nach Hause und sitzt dann mit irgendwelchen Aktenordnern im Wohnzimmer. Will nicht gestört werden. Meine Mutter ist meistens da und schaut sich irgendwas im Fernsehen an. Ist schon in Ordnung. Ich kann so ziemlich machen, was ich will, außer wenn Verwandte zu Besuch kommen. Dann muss ich die brave Tochter spielen. Sonst kümmern sie sich nicht viel um mich. Ist ihnen egal, wo ich mich rumtreibe. Solange ich zu den Mahlzeiten auftauche, sind sie zufrieden. So ist das bei uns. Ziemlich langweilig.«
    »Du hast recht«, sagte Marcus. »Das ist ziemlich langweilig. Muss schrecklich sein, immer nur zu Hause rumzuhängen und alles machen zu dürfen, was man will.«
    »Klingt gut, finde ich«, sagte Simon. »Da hackt wenigstens keiner auf dir rum.«
    Marcus stöhnte. »Das war ironisch gemeint«, sagte er. »Okay, was willst du wissen? Ach so... mein Vater und heute Abend. Ich hab ihm gar nichts gesagt. Er verlässt um halb elf das Haus und kommt erst früh um neun Uhr wieder von der Arbeit zurück, manchmal auch später. Da werd ich schon lang wieder zu Hause sein und ihm in der Küche das Frühstück machen.«
    Simon zog die Augenbrauen hoch. »Du machst ihm das Frühstück?«
    »Ja, fünf Tage in der Woche.« Er guckte erst Simon an, dann Emily. »Ich wasch auch seine Sachen. Am Sonntag. Wollt ihr sonst noch was wissen?«
    Emily war etwas betroffen. »Nein, du musst nicht mehr erzählen.«
    »Ich hab noch’ne Frage«, sagte Simon. »Es ist jetzt noch nicht halb elf. Da merkt dein Vater doch, dass du nicht zuhause bist.«
    »Na klar. Er glaubt, dass ich in der Bücherei bin. Ich hab ihm erzählt, dass ich da was zu arbeiten habe. Für ein Referat in der Schule. Ich bin ein sehr guter Lügner. Er denkt, dass ich’ne Schwuchtel bin, aber er sagt nichts.«
    »Aber die Büchereien haben doch nicht bis elf Uhr abends offen«, sagte Emily.
    »Woher soll er das denn wissen? Er hat da noch nie einen Fuß reingesetzt.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen. »Dann musst du morgen früh weg«, sagte Emily. »Hast du einen Wecker dabei?«
    »Ja. Kann ich noch was von dem Truthahn haben?«
    Das Gespräch stockte. Marcus aß weiter. Simon wühlte sich aus seinem Schlafsack heraus und ging in Strümpfen zum Kamin, um Holz nachzulegen. Das Feuer brannte fröhlich vor sich hin. Der flackernde rote Schein der Flammen erfüllte die weite Öffnung des Kamins und tauchte ihre Gesichter abwechselnd in Licht und Schatten. Der Rest des Zimmers war schwarz. Die Hitze des Feuers reichte aus, um ihre Gesichter etwas zu wärmen, aber die Kälte, die ihnen in den Knochen saß, hatte sie noch nicht vertreiben können. Sie hatten alle ihre Mützen aufgelassen, und Emily hatte sogar ihre Handschuhe an, die jetzt von dem Käse und dem Truthahn ganz fettig waren.
    »Lasst uns das Heizgerät auch noch anmachen«, sagte sie.
    »Noch nicht.« Simon legte vorsichtig ein Holzstück ins Feuer. »Warte, bis das hier brennt; dann wird es richtig warm werden.«
    Er kroch in seinen Schlafsack zurück. Marcus hatte sich umgedreht und las wieder in seinem Buch, in der linken Hand hielt er die

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