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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Winterdämmerung war hereingebrochen. Ein letzter, schwacher Lichtschein erhellte das Fenster. Das Zimmer war voller Schatten. Bis vor ein paar Minuten hatte auch noch die offene Tür schwarz und kalt in den Raum gegähnt. Dann war Marcus aufgestanden und hatte sie zugemacht. Zwei Taschenlampen leuchteten schwach, doch ringsum war alles wie mit Tusche gezeichnet. Simon benutzte seine Lampe vor dem Kamin; Marcus hatte den Lichtstrahl auf ein Buch gerichtet. Emily hatte ihre Taschenlampe noch nicht eingeschaltet.
    Trotz der Dunkelheit sah das Zimmer gemütlich aus. Sie hatten die drei Schlafsäcke im Halbkreis um den Kamin angeordnet, sie zeigten wie die Speichen eines Rads nach außen. Jeder von ihnen hatte sich ein Kopfkissen aus irgendeinem Kleidungsstück gerollt; bei Emily war es ein dicker Wollpullover. Überall waren ihre Essens- und Getränkevorräte verstreut. Eine ziemlich beeindruckende Ansammlung, und das, obwohl Simons Beitrag lediglich aus zwei Konservenbüchsen mit Pfirsichen bestand. Als sie ihn deswegen schimpfen wollten, hatte er nur wortlos auf das Brennholz gezeigt, das in seinem Rucksack verstaut gewesen war, und selbst Marcus hatte zugeben müssen, dass das eine sehr triftige Entschuldigung war.
    Emily und Marcus hatten folgende Picknickzutaten auf dem Boden ausgebreitet: vier Dosen Cola; eine alte Limoflasche mit Wasser; eine Jumbo-Familienpackung Schokokekse; eine halbe Packung Toastbrot; ein Glas Marmelade (noch zu einem Drittel voll); ein eingeschweißtes Stück Cheddarkäse; eine große Portion aufgeschnittenen kalten Truthahn in Frischhaltefolie; drei Packungen zerbröselte Kartoffelchips (sie waren in Emilys Rucksack gewesen und hatten die Turnübung im Kamin schlecht überstanden); zwei Mandarinen (die dritte hatte ebenfalls ein trauriges Schicksal erlitten und war zerquetscht worden); zwei Messer und eine Tube Senf.
    »Was willst du denn damit?«, hatte Simon erstaunt gefragt, als Marcus stolz den Senf hervorgezogen hatte.
    »Brauch ich unbedingt zum Käse. Ich muss damit den ekligen Geschmack überdecken.«
    Mit oder ohne Senf, es war ein ordentliches Abendessen. Alles, was sie jetzt noch brauchten, war ein warmes Feuer – und je früher, desto besser, denn die Kälte begann, ihnen schon in die Knochen zu kriechen. Emily spürte sie durch alle ihre Schichten hindurch. Ihre Nase war ein Eiszapfen; bei jedem Atemzug stiegen von ihrem Mund weiße Wölkchen auf, und sie fing an zu zittern, als hätte sie Schüttelfrost. Marcus hatte sich so weit wie möglich in seinen Schlafsack vergraben. Nur Simon, der vor dem Kamin kauerte, wirkte noch frisch und munter. Er zündete ein Streichholz an und hielt es unter das aufgeschichtete Holz.
    »Jetzt«, murmelte er. »Jetzt müsste es klappen. Haltet den Atem an!«
    Ein schwaches Flämmchen glimmte vom Kamin herüber. Das zusammengeknüllte Zeitungspapier fing Feuer – erst hellgelb, dann orange aufleuchtend. Der Lichtschein erhellte das Gitterwerk aus dünnen schwarzen Zweigen, die ringsum wie ein Zelt aufgestellt waren. Mehrere Sekunden lang brannte nur das Papier, dann begann einer der Zweige zu glühen. Simon hielt seine Hände schützend über den kleinen Stapel, um ihn vor dem kalten Luftzug zu schützen, der aus dem Rauchfang herabgeweht kam. Ein paar weitere Zweige fingen zu brennen an. Ein kaum wahrnehmbares Knistern.
    Noch mehrere Minuten kauerte Simon vor dem Kamin und kümmerte sich um das allmählich stärker werdende Feuer. Schließlich traute er sich, vier größere Holzstücke auf den brennenden Haufen zu legen. Er machte seine Taschenlampe aus und richtete sich mühsam auf.
    »Wir müssen ein Auge darauf haben«, sagte er. »Könnte immer noch ausgehen.«
    »Hübsches Feuerchen«, kam es von Marcus mit gedämpfter Stimme aus den Tiefen seines Schlafsacks.
    »Gut gemacht, Simon«, sagte Emily. »Dann wollen wir mal was essen.«
    »Ja, ich hab’nen Riesenhunger.« Simon schleuderte seine Stiefel weg und setzte sich auf seinen Schlafsack. »Wer will Pfirsiche?«
    »Ich glaub, die kannst du ganz allein essen.« Emily griff nach der Packung mit dem Toastbrot. »Hast du überhaupt einen Dosenöffner dabei?«
    »Ich Idiot. Nein. Hab ich vergessen.«
    Wie eine riesige Raupe oder Larve drehte Marcus sich mitsamt seinem Schlafsack auf die Seite, wo das Essen ausgebreitet war. Eine Hand kroch heraus und griff nach dem Truthahn. »Du hast zwei Dosen dabei, aber keinen Dosenöffner? Dann wirst du hungrig bleiben.«
    »Er hat gerade für uns das

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