Die Eishölle
der Stadt blieben von Anfang bis Ende ein Rätsel für uns.
Während ich fotografierte und die anderen Notizen machten, war Scarsdale damit beschäftigt, die Inschrift auf dem großen Portal aus geschliffenem Stein zu entziffern, das hoch über unsere Köpfe emporragte. Er verkündete verblüfft, dass es sich bei dem Gebäude um die Stadtbibliothek zu handeln schien und schlug vor, es weiter zu untersuchen.
Das Innere des Gebäudes war frei von Staub jedweder Art, und das Licht fiel auf die gleiche Weise wie in der Galerie der Einbalsamierten durch die Decke herein. Für mich war die Bücherei anfangs eine Enttäuschung, obwohl dieser Abend für meine Kameraden zu den interessantesten gehörte, seit wir diese phantastische Untergrundwelt betreten hatten. Ich hatte Papyrus, Manuskripte oder große Pergamentdokumente erwartet und wurde bitter enttäuscht. Nachdem wir eine endlose Folge von Rampen hinaufgestiegen waren, stellten wir fest, dass das Gebäude aus einer Reihe von gigantischen Räumen bestand, deren jeder verschiedene Wandinschriften trug.
In jedem Zimmer waren hunderte von Bänken angebracht, die sich vor einem steinernen pultähnlichen Vorbau aufreihten.
Vor der Brüstung war der Boden von einem seltsamen, metallischen Belag überzogen, möglicherweise die stilisierte Darstellung eines Auges mit Gravierungen auf den hervorgehobenen Teilen der Umrisse. Es schien hohl zu sein, und als Scarsdales Laterne flackerndes Licht ins Innere warf, kam etwas zum Vorschein, das wie ein einfacher
Metallmechanismus aussah. Dem Pult gegenüber und einige hundert Meter entfernt befand sich eine bleiche, geschwungene Steinoberfläche, die aus der Wand ragte. Für mich sah das alles wie eine prähistorische Version eines modernen
Vorlesungssaales in einer unserer Universitäten aus, aber Scarsdale löste das Rätsel auf ebenso zufällige wie bizarre Art.
Er entschwand unseren Blicken für einige Augenblicke hinter dem Sockel des Pultmöbels, und im nächsten Moment wurden wir von Licht geblendet, das in den Raum strömte. Ich bedauere bis heute, mich auf recht würdelose Art und Weise hinter eine der Steinbänke gekauert zu haben. Meine Gefährten waren allerdings fast genauso stark erschrocken.
In etwa dreißig Meter Höhe leuchteten auf der jenseitigen Wand der Bibliothek riesige Symbole in jener abartigen Sprache und in strahlender Helligkeit auf uns herab. Dann wurde der Raum wieder dämmrig und Scarsdales zufriedenes Kichern verwandelte sich in triumphales Gelächter.
»Hier ist ihre Bibliothek, Gentlemen«, strahlte er. »Dieses Gebäude ist nichts anderes als ein modernes Filmtheater. Die Informationen wurden wie auf einem Lichtbild gespeichert und auf die steinerne Leinwand projiziert. Was sind die Gebrüder Lumiere jetzt noch wert?«
Einen Augenblick lang herrschte verblüfftes Schweigen, und dann war die Luft von erstaunten Fragen erfüllt.
Van Damm trat mit dem Professor hinter das Pult. Scarsdale erklärte, dass er die Strahlen seiner Helmlampe versehentlich auf die seltsame Maschine gerichtet hatte.
»Meine Lichtquelle war natürlich bei weitem zu stark«, führte er aus.
»Diese Leute hatten sicher etwas weitaus Dezenteres, wie die allgemeine Helligkeit hier in Croth belegt. Aber das war zweifellos der Auslöser. Es war ein, nennen wir es Dia, im Apparat verblieben. Wir müssen die Quelle ihrer Energie finden und den Ort, wo sie ihre Dias aufbewahrt haben. Dann können wir beginnen, einige der Rätsel dieser Stadt zu lösen.«
Vierzehn
I
Den Rest des Tages verbrachten vor allem Scarsdale und Van Damm in aufgeregtem Durcheinander. Obwohl die
Entdeckung der Bildermaschine in der vorzeitlichen Stadt unter der Erde aus archäologischer und historischer Sicht von unermesslicher Wichtigkeit war, begeisterte sie mich nicht so sehr, wie man annehmen sollte. Naiverweise hatte ich mir vorgestellt, etwas in der Art alter Wochenschauen über diese lang vergessene Zivilisation zu sehen. Die Realität war weitaus prosaischer, obwohl der Professor und seine akademischen Gefährten einen Abend wie Lord Carnarvon und Howard Carter verbrachten, als diese das Grab des Tut Ench Amun entdeckten.
Was die Große Nordexpedition ans Licht gebracht hatte, war zweifellos mindestens bedeutend, wenn nicht bedeutender, denn von der Stadt Croth hatte niemand auch nur eine Ahnung gehabt, bevor Scarsdale und ein, zwei andere obskure Gelehrte ihre Nachforschungen in verbotenen Büchern angestellt hatten.
Scarsdale und Van
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