Die Eiskrone
Colonel hat drei Kompanien ausgeschickt und eine davon selbst angeführt. Aber wie …« Er musterte vorsichtig den Coverall und Roane, wagte aber nicht direkt zu fragen.
»Ich wurde aus Hitherhow entführt«, berichtete die Prinzessin. »Aus meinem Bett heraus! Mit Hilfe der Hüter und der Lady Roane Hume hier entging ich dem mir zugedachten Schicksal. Alles übrige kann nicht öffentlich besprochen werden. Aber dich habe ich schon einmal gesehen. Hast du nicht Colonel Imfry nach Urkermark zur letzten Geburtstagsfeier Seiner Majestät begleitet? Du bist doch Captain Buris Mykop und stammst aus Benedu.«
»Hoheit. Ihr habt mich nur einmal gesehen und erinnert Euch meiner?«
Sie lächelte. »Wie könnte man einen Menschen vergessen, der einem treu dient? Es wäre unpassend, wäre es anders.«
Dann warf sie den Eisenkragen mit der Kette auf einen Tisch. »Hier, Captain, das ist ein kleines Andenken an meine Entführung. Dieser Kragen wurde mir um den Hals gelegt und mit einer Kette an einem Pfosten befestigt, damit sich andere daran freuen konnten.«
Der Captain sah grimmig drein. »Und wer hat das getan, Hoheit? «
»Das weiß ich noch nicht. Ich werde es aber erfahren. Jetzt genügt es, daß ich freikam. Dafür habe ich mich bei Lady Roane zu bedanken.« Sie nickte ihrer Gefährtin zu, und der Captain musterte das Mädchen, als wolle er sich dieses Gesicht für ewige Zeiten einprägen.
»Am zweiten Tag des Lackmeande ritt ich nach Hitherhow«, sagte die Prinzessin. »Welchen Tag haben wir heute?«
»Den vierten, Hoheit.«
»Gibt es wichtige Nachrichten aus Urkermark?«
»Nein, Hoheit. Es wird keine Veränderung im Befinden des Königs gemeldet.«
Das schien Ludorica ein wenig zu beruhigen, aber sie hatte noch weitere Fragen. »Wie weit ist es zur Grenze von Leichstan? Zwei Meilen? Und sind wir hier am Westtor?«
In diesem Augenblick hörte man von draußen her eilige Schritte, und dann trat ein junger Mann ein, der ehrerbietig vor Ludorica stehenblieb. Sein Gesicht war ernst.
»Ja, Hoheit.«
Sein Haar war rostrot, aber seine Brauen waren so schwarz wie die der Prinzessin.
Die Art, wie er Ludorica ansah, war so voll Verehrung, daß es Roane peinlich war, Zeuge dieser Begegnung zu sein. Aber dann hielt ihm die Prinzessin die Hand entgegen, die er küßte. Das tat er mit so vollendetem Anstand, daß Roane angenehm überrascht war.
»Guten Gruß, meine Prinzessin«, sagte er.
»Guten Gruß, Vetter.« Roane gewann den Eindruck, daß die Prinzessin das letzte Wort ausdrücklich betonte. Vielleicht war es ein Kodewort, vielleicht auch eine Warnung. »Ich höre, du hast nach mir gesucht.«
»Habt Ihr geglaubt, das würde ich nicht tun, Prinzessin?« Dazu lächelte er ein wenig. »Aber Ihr habt Euch als wahre Königstochter erwiesen und unserer Hilfe nicht bedurft. Captain«, wandte er sich an seinen Untergebenen, »ich glaube, ein Glas Lasquer würde allen guttun. Habt Ihr gegessen, Prinzessin?«
»Gegessen, mein Freund?« Sie lachte. »Vetter, gestern abend hat uns Lady Roanes Fürsorge eine Mahlzeit beschert, aber seitdem …« Sie nickte Roane zu. »Roane, das ist mein guter Vetter und lieber Freund, Colonel Nelis Imfry. Ich habe dir schon von ihm erzählt.«
Neben Sandar hätte dieser Mann grobgeschnitzt gewirkt, wenn nicht sogar häßlich, aber Roane hatte das gleiche Bedürfnis wie vorher der Captain in ihrem Fall – dieses Gesicht mußte sie sich einprägen.
Der Colonel verbeugte sich, wenn auch eine Spur weniger tief als vor Ludorica. Da Roane nicht recht wußte, was sie darauf zu antworten hatte, verwendete sie eine altgewohnte Redensart. »Ich fühle mich sehr geehrt, Colonel«, sagte sie.
»Mir ist es eine Ehre und ein Vergnügen, meine Dame.«
»Vetter, nur ihr habe ich meine Rettung zu verdanken. Ohne sie hättet ihr mich niemals gefunden. Und jetzt … Captain Mykop sagte, es gebe keine schlechten Nachrichten.«
»Habt Ihr sie erwartet, Prinzessin?«
»Ja, wegen meiner Entführung. Er hätte es nie gewagt, wem; er nicht zu genau wüßte, daß der König nicht mehr lange zu leben hat.«
»Vermutlich läßt sich aber nichts gegen Euren Verwandten beweisen«, erwiderte der Colonel.
»Natürlich nicht. Aber ich habe dir ein Geheimnis mitzuteilen, das nur solche hören dürfen, denen du vertrauen kannst. Können wir hier offen sprechen?«
»Ja. Wenn die Erfrischungen gebracht sind, könnt Ihr sprechen.«
Im gleichen Augenblick erschien der Captain und hinter ihm ein Soldat mit einem
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