Die Eiskrone
stickigen Raum war es Roane so heiß geworden, daß sie die Kapuze abnahm und ihre Tunika aufknöpfte. Erst jetzt konnte sie auch ihre Fluchtkameraden näher ansehen. Die beiden Männer hatten sich auf den Boden gesetzt und an Strohballen gelehnt. Einen kannte sie. »Du bist doch Sergeant Wuldon und hast uns nach Gastonhow begleitet«, wandte sie sich an ihn.
Der Mann schien älter zu sein als der Colonel, wenn man auch auf fremden Planeten das Alter eines Menschen nur schlecht schätzen konnte. Sein braunes Haar hatte über jedem Ohr einen breiten Silberstreifen. Sein Gesicht war braungebrannt, fast verwittert.
»Ja, ich bin Wuldon, m’Lady«, antwortete er.
»Und du hast ihn gerettet.«
Wuldon nickte. »In Hitherhow hatten wir ein paar, die uns halfen. Den Herzog mögen sie dort nicht. Sie wollten nur nicht allzu viel riskieren, aber ohne Sie, m’Lady, hätten wir’s niemals geschafft.«
Roane lehnte sich zurück und versuchte jenes Gefühl wegzuwischen, das sie seit einiger Zeit nicht mehr losließ. Sie schien zwei Personen zu sein, und dieses Gefühl behagte ihr ganz und gar nicht. Und der entsetzliche Gestank stülpte ihr fast den Magen um. Wie lange würde sie den noch aushalten können?
Der andere Mann wurde nun auch unruhig. »Hier stinkt es ja fürchterlich«, bemerkte er.
»Ein Liliengarten ist das hier wirklich nicht«, gab Wuldon zu. »Aber dort draußen haben wir die besten Wächter, die es gibt.«
»Wie lange …« Roane brauchte die Frage nicht ganz auszusprechen, denn Wuldon verstand auch so.
»Wer weiß? Vielleicht bis zum Einbruch der Nacht, wenn wir Glück haben und die anderen einer falschen Spur nachjagen. Im Jagdrevier könnten sie von unseren Freunden recht gut in die Irre geführt werden. Erst dann kommen wir hier weg. Aber solange der Colonel noch so …« Er schüttelte den Kopf.
»Wie geht es ihm, Lady?« erkundigte sich der andere. »Haben Sie ihm so helfen können, daß wir ihn nicht mehr tragen müssen? Sonst kommen wir nämlich nicht weit.«
Der Sergeant brummte etwas. »Aber das weißt du doch selbst«, sagte der andere. »Ich bin meinem Herrn treu ergeben. Die Schwester meiner Mutter war seine Amme, als die seine starb. Ich tue alles, damit er frei wird. Aber weit können wir ihn nicht tragen. Er muß reiten können. Zu den Hügeln ist es ein schönes Stück Weg.«
»Man wird ihn für vogelfrei erklären«, bemerkte der Sergeant. »Wer wird ihm dann in Reveny noch helfen? Besser wäre, wir brächten ihn über die Grenze. Er ist nicht der erste gute Mann, der aus seiner Heimat fliehen muß, und er kann sich und sein Schwert verkaufen – in Leichstan oder auf den Inseln von Marduk, wo man gute Offiziere mit offenen Armen aufnimmt.«
»Danke für dein Zeugnis, Wuldon.« Die Stimme des Colonels klang sehr matt und angestrengt, aber seine Augen waren offen. »Dieser Gestank! Das sind ja … Direhunde! Wo in Reveny …« Er versuchte sich aufzurichten, doch der Sergeant drückte ihn sanft, aber bestimmt zurück.
»Wir sind in der Hundehütte von Hitherhow«, erklärte er.
»Also von einem Käfig in den anderen«, bemerkte der Colonel. »Trotz des fürchterlichen Gestankes finde ich den hier aber angenehmer als den anderen. Wie habt ihr …«
»Nun, Sir, ich sah, daß man Sie aus der Höhle herausbrachte, und da habe ich zusammen mit Spetik Hilfe gesucht. Wir kamen nach Hitherhow und redeten mit Mattine und Haus. Ein paar Männer im Dorf waren auch bereit, etwas zu riskieren, wenn sie auch nicht allzu weit gehen wollten. Von einer Schlinge um den Hals hielten sie nichts.«
»Das kann ich keinem verübeln, Wuldon. Verrat ist ein Verbrechen, mit dem keiner etwas zu tun haben will. Was habt ihr dann getan?«
»Wir gingen auf unsere Posten zurück und warteten. Vier oder fünf Männer standen bereit, und da … gingen wir dann eben.«
»So? Desertiert seid ihr?«
»Sagen wir lieber so, Sir: Wir haben uns um unseren Kommandanten gekümmert. Keiner hat Sie je anders geheißen, und man hat uns auch nichts Gegenteiliges gesagt.«
»Aber ihr habt es doch laut und deutlich in Hitherhow gehört.«
»Nein, Sir, kein Sterbenswörtchen. Seit diesem Felssturz im vorigen Jahr, bei dem Sie mich gerettet haben, höre ich doch schlecht, wenigstens manchmal. Ich habe kein Wort von einem neuen Kommandeur gehört.«
»Wenn du schlecht hörst, Sergeant, wirst du aus dem Dienst entlassen.«
»Wird wohl so sein, Colonel. Das heißt, wenn Reddick davon erfährt.«
Imfry lachte, wurde aber
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