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Die Eisläuferin

Die Eisläuferin

Titel: Die Eisläuferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Münk
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war mein Tag«. Zuletzt hatte sie so vor »Madrid« gestanden, einem Gemälde mit einer animierenden Farblandschaft in Blau. Mehr konnte man beim besten Willen nicht tun.
     
    Der Russe hatte beim Verlassen der Wohnung am vorherigen Abend einen Zettel in der Hand gehabt und ihm, dem Gatten, die höchst seltsame Empfehlung erteilt, seiner Frau an jedem Abend und an jedem Morgen einen reifen Pfirsich zu servieren. Wegen der Ausschüttung erinnerungsfördernder neuroplastischer Botenstoffe, hatte er gesagt.
    Nun ja. Er aß selbst gern Pfirsiche, man konnte nichts falsch machen mit ihnen, aber an derartige Substanzen hätte er dabei nicht im Traum gedacht. Er hatte den Russen daraufhin etwas mitleidig angeschaut: »Hören Sie, die neuroplastischen Botenstoffe sind eigentlich mein Job.«
    »Genau deswegen«, hatte der Russe geantwortet und ihm das klein gefaltete Stückchen Papier in die Hand gedrückt. Es hatte eine Weile gedauert, bis er entziffern konnte, was darauf stand. Und als er es dann gelesen hatte, dieses eine, harmlos daherkommende Wort, war ihm etwas unter die Haut gegangen, sehr intensiv, er würde sich noch lange daran erinnern.
    »Was soll das? Worauf bezieht sich das? Auf wen bezieht sich das?«
    »Es hat keinen Bezug. Es ist einfach da oder eben nicht.«
    »Ach, hören Sie doch auf. Das bezieht sich doch auf ihr Amt! Worauf sonst? Sie werden mir jetzt ein bisschen zu anmaßend! Ich hätte Ihnen schon etwas mehr zugetraut als nur Zettelbotschaften.«
    |119| Er hatte das Wort unverfroren, perfide gefunden, hatte dem Russen seinen Mantel gegen den Bauch geschleudert und die Wohnungstür weit und wortlos aufgehalten. Wut mochte ein aufwendiges und meist nutzloses Gefühl sein, doch hier war sie angebracht gewesen.
    Der so ungnädig entlassene Gast hatte ihm im Vorbeigehen noch zu bedenken gegeben, dass dieses schöne Wort nur in der deutschen Sprache einen negativen Wortstamm habe, hatte sodann den Mantelkragen hochgeklappt und war gegangen.
    Seine Frau hatte von all dem nichts mitbekommen, war zu beschäftigt gewesen. Den kleinen Rest der Zeit, den sie früher mit Lesen und dem Studium der Akten verbracht hatte, füllte sie nun mit Aktivität, denn sie fand wohl, dass ihr nichts andres übrig blieb. So ganz unrecht hatte sie nicht damit, aber so kam eben noch mehr Bewegung in ihr Leben, das eigentlich schon bewegt genug war.
    Sie war durch die Wohnung gelaufen, nachdem der Russe gegangen war, hatte ohne Unterlass telefoniert. Er vermutete, dass sie dem Tag dadurch Länge verleihen wollte. Doch das Gegenteil war der Fall. Und dann war sie mit dem Telefon in der Hand auf ihn zugekommen: »Der MAV will mit dir sprechen. Er sagt, es gehe um mein Briefing morgen früh.« Sie hatte ihm das Telefon gereicht und war in die Küche gegangen, wollte sich dem wohl nicht aussetzen.
    Der MAV atmete schwer beim Sprechen: »Soll ich Ihnen mal was sagen? Ich höre hier nur Russisch auf den Bändern. Das geht so nicht! Da müssen Sie schon ein wenig Einfluss nehmen. Ich kann doch nicht noch mehr Leute in die Sache hineinziehen. Wo kommen wir denn hin, wenn wir auch noch dafür einen Übersetzer brauchen!«
    Er hatte das Fenster ihres Arbeitszimmers geöffnet und sich weit hinausgelehnt: »Hören Sie, für unzureichende |120| Fremdsprachenkenntnisse im Regierungsapparat bin ich nicht zuständig.«
    Der MAV stutzte: »Ach ja, Sie sprechen Russisch, ich vergaß. Kann ich Ihnen die Bänder schicken?«
    Das war nun doch zu viel. »Nein, meine Frau und ich hören aufeinander, aber wir hören einander nicht ab. Wenn Sie das von mir verlangen, bin ich raus aus dem Spiel, und Sie können sie morgen früh selbst wecken.«
    »Ist ja gut, ist ja gut. Hören Sie, ich habe mir das noch einmal grundsätzlich überlegt. Dieser Russe kommt aus einem Forschungsbereich, zu dem angeblich der KGB Kontakt hat. Wir finden das alles nicht so transparent und wasserdicht, wie wir eingangs dachten.«
    Er wollte es nicht hören. Er wollte das alles nicht hören, doch hier ging es um seine eigenen vier Wände: »Er ist doch sicherheitsüberprüft, oder nicht?«
    »Ja, schon, aber verstehen Sie mich bitte richtig, ich kann das alles nicht noch länger am Nachrichtendienst und am Verfassungsschutz vorbeilaufen lassen. Ich bin jetzt vielmehr auf der Suche nach einer höchst vertrauenswürdigen, diskreten und völlig unauffälligen, ja fast schon privaten Alternative zu diesem Dimitrij.«
    Er hatte noch den Zettel des Russen in der Hosentasche, nahm ihn

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