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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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Glücksbringer geschenkt hatte, ein starker Talisman, wurde zum Reißzahn eines Säbelzahntigers, der als Medaillon an einem Lederband hing – ein prähistorisches Amulett, um das Böse abzuwehren. Ein urzeitlicher «Medizinbeutel» verwandelte sich in einen modernen.
    «Ulysses? Ulysses! Sind Sie noch da?»
    Der blecherne Klang von Okudas Stimme schepperte in der Ohrmuschel des Handys. Grove regte sich lange nicht, sagte nichts, wandte nicht einmal den Blick von den verstreuten Gegenständen auf dem Boden.
    «Hallo?! HALLO!»
    Grove schleuderte das Handy gegen die Wand. Diesmal zerbrach es. Bruchstücke prallten ab und flogen ihm wie Querschläger entgegen. Ein Teilchen blieb in seinem schwarzen Haar stecken. Er wischte es weg und bekämpfte die Schmerzen in seinen Händen, indem er sie einfach runterschluckte.
    Er ging hinüber zum Sofa, wo er seine Waffe abgelegt hatte. Er pellte sich die Handschuhe von den Fingern und warf sie beiseite. Unter seiner Schädeldecke glühte ein Schmelzofen. Er schnappte sich die Waffe und prüfte deren Kammer. Sie war leer. Fünf Schuss in der Trommel. Er schob den Revolver auf dem Rücken unter seinen Gürtel. Dann ging er zu der Ecke, in der sein Glücksbringer lag. Er hob ihn auf. Steckte ihn in die Tasche. Ergriff den Schnellhefter mit Okudas topographischen Karten und Diagrammen und stopfte ihn sich ins Jackett.
    Dann hinüber zum Telefon an der Wand neben der Küchentür.
    Ein Taschentuch über die Hand gelegt, um etwaige Fingerabdrücke nicht zu verwischen. Dann wählte er 9-1-1. Als sich die Telefonistin des Notrufdienstes meldete, sprach Grove deutlich und schnell: «Hören Sie mir gut zu, denn ich werde mich nicht wiederholen – »
    «Sir – »
    «Ich habe gesagt, Sie sollen mir gut zuhören, und wenn Ihnen etwas entgeht, benutzen Sie die Bandaufnahme. Okay, ich möchte, dass Sie eine Einheit, einen Kriminaltechniker und jemanden vom örtlichen Außenbüro des FBI schicken – »
    «Sir, ich muss Sie bitten – »
    «Hören Sie zu, oder ich lege sofort auf und sorge dafür, dass Sie vor einen internen Untersuchungsausschuss kommen und höchstwahrscheinlich Ihren Job verlieren. Also, Sie müssen diese Einheit sofort zu folgender Adresse schicken – zweiundzwanzig-siebzehn Madera Drive in Corte Madera. Die Tür ist offen, es handelt sich um den Tatort einer offensichtlichen Entführung – und jetzt erledigen Sie Ihren verdammten Job!»
    Klick!
    Dann durchquerte er das Zimmer. Päng! Die Tür flog auf. In die kühle Meeresluft. Die schmale, verwitterte Treppe hinunter. Vorne um die Limousine herum. Die Tür aufreißen und hinters Lenkrad rutschen. Er schob seinen .357er an der Hüfte so zurecht, dass er nicht gegen den Verband drückte, und ließ den Wagen an.
    Mit quietschenden Reifen und in einer Wolke von Auspuffgasen raste er davon.
    Ein zufälliger Beobachter, jemand, der hinter den Vorhängen der Nachbarwohnung hervorgespäht und mitbekommen hätte, wie Grove davongebraust war, könnte durchaus auf den Gedanken gekommen sein, dass der Mann im Auto genau wusste, was er zu tun hatte und wohin er sich begeben musste, um es zu tun.

 
     
     
Teil 4
     
     
     
    Die Anrufung
     
     
     
     
     
    «Auf dem Weg nach nirgendwo
    habe ich meine Seele gefunden.»
     
    CORRINE ROOSEVELT ROBINS

Kapitel 25
Blut und Terpentin
     
     
     
    Lange nachdem der Sun-City-Fall nicht nur auf den knalligen Seiten der Regenbogenpresse und der sensationslüsternen Boulevardblätter gelandet, sondern bereits in die Annalen der Strafverfolgungslegenden aufgenommen worden war, wurde Groves Flucht noch oft debattiert, leidenschaftlich analysiert und in Streitgesprächen diskutiert. Die Wahrheit hinter dieser Reise war viel einfacher, als die Geschichte die Menschen glauben machen wollte.
    In Wahrheit nämlich war Grove ganz und gar nicht vom Tatort in Corte Madera geflohen – obwohl er rein formal kein Agent mehr war und daher mit seinem Verschwinden dem FBI ein Problem bereitete, ebenso wie dem Justizministerium und dessen gesetzlichen Repräsentanten. In den zivilrechtlichen Prozessen, die unweigerlich folgten, argumentierte Tom Geisel unter Eid, dass Grove nur offene Fragen geklärt hatte – und das, wie immer, in ausschließlich beratender Funktion. Die drängende Notwendigkeit seiner Reise wurde offiziell heruntergespielt. Das Bild von Ulysses Grove, das man vor Gericht zeichnete, war das eines methodisch agierenden Perfektionisten.
    Seine Visionen fanden ebenso wenig Erwähnung wie

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