Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
Vom Netzwerk:
Himmel hinaufragte, den ‹Annex›. Reston war eine typische Schlafstadt; tagsüber kamen hauptsächlich Mütter an dem Hochhaus vorbei, die ihre Söhne mit Geländewagen vom Baseball-Training abholten, und auf den Gehwegen veranstalteten die Kinder Kunststücke mit ihren Skateboards. Sie alle passierten die glatte Fassade des Annex, ohne zu ahnen, mit welch schrecklichen Dingen sich die Beamten in dem Gebäude beschäftigten und wie beiläufig man dort drinnen über den Tod sprach.
    Das FBI hatte im Jahr 2002 – nach den Attentaten vom 11. September flossen die öffentlichen Gelder reichlich – einige Abteilungen in den Annex umgesiedelt. In diesen Tagen herrschte auf den Fluren und in den Büros hektische Betriebsamkeit. Die Behavioral-Science-Abteilung unterhielt in dem Gebäude eine Einsatzbasis mit sechs Agenten unter der Führung von Terry Zorn.
    «Das ist ja eine tolle Theorie», staunte Zorn in seinem Eckbüro. Er lehnte sich in seinem Drehstuhl hinter dem Schreibtisch zurück, auf dem sich die Aktenberge stapelten. Er telefonierte über ein schnurloses Headset mit Tom Geisel im FBI-Hauptquartier. Zorns kahl geschorener Schädel glänzte im Licht der Neonröhren, das von der Decke herabfiel.
    «Du hast bereits den entscheidenden Punkt erfasst, Terry. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob überhaupt eine Theorie dahintersteckt», meldete sich Geisels Stimme am anderen Ende der Leitung. «Im Moment handelt es sich lediglich um eine Beobachtung, eine interessante Entdeckung.»
    «Ich erinnere mich noch an einen Artikel, als sie das verdammte Ding entdeckt haben – wo war das gleich? – ich glaube, es stand im National Geographic.»
    «Wie dem auch sei… das ist der momentane Stand der Dinge.»
    «Was will er denn, Tom?», fragte Zorn.
    «Grove will weiter an dem Fall arbeiten. Er will dieses angebliche Rätsel um die Mumie unbedingt aufklären.»
    «Also gut.»
    «Es ist ja eigentlich meine Schuld», gestand Geisel ein. «Ich habe ihn dort hinaufgeschickt. Wer hätte das ahnen können? Er ist ein wirklich guter Mann, Terry.»
    «Und ob er ein guter Mann ist – ein verdammter Wunderknabe ist er sogar. Selbst wenn er behaupten würde, dass es eine Verbindung zwischen dem Sun-City-Mörder und dem Osterhasen gibt, würde ich ihm das abnehmen.»
    Geisel stieß einen Seufzer aus, wie ein Trainer, der weiß, dass das Spiel nicht mehr zu gewinnen ist. Zorn freute sich insgeheim über diesen Laut. Mit vierzig Jahren war er einer der jüngsten Profiler in der Abteilung und unweigerlich auf dem Weg nach oben. Sein ganzes Erscheinungsbild, von der modischen Glatze bis hinunter zu den eintausend Dollar teuren Cowboystiefeln aus Eidechsenleder, verriet, dass er vor Ehrgeiz brannte. Zorn stammte aus Amarillo, hatte seinen Bachelor an der Texas Agricultural and Mechanical School und seinen Master in Yale gemacht. Er sprach noch immer mit leichtem Akzent, und die Kollegen von der Polizei liebten ihn, weil er an Tatorten die Rolle des kumpelhaften Schnüfflers aus den Südstaaten voll ausreizte.
    «Ich will nicht sagen, dass ich kein Vertrauen in den Mann habe», murmelte Geisel leise. «Vielleicht ist diese Mumie tatsächlich der Schlüssel zum Sun-City-Fall. Ich gebe nur eines zu bedenken: Wir haben ihn zwölf Monate lang an der Sache arbeiten lassen, ohne dass er einen Erfolg verbuchen konnte. Und nun ist er da oben ganz auf sich gestellt und sieht alles nur aus seiner Perspektive. Verstehen Sie, was ich meine?»
    «Sie möchten, dass ich mich nach Alaska aufmache?»
    «Ich weiß, dass Sie viel Arbeit haben, Terry, und demnächst steht die Revision an.»
    «Machen Sie sich keine Gedanken, Tom. Ich nehme morgen früh gleich den ersten Flug.»
    «Das rechne ich Ihnen hoch an, Terry.»
    «Wie sind Sie mit Ulysses verblieben?»
    «Er hat mich gefragt, ob ich Hilfe schicken könnte, und ich habe gesagt, ich würde Sie fragen.»
    «Hervorragend, Tom.»
    «Wobei mir einfällt, Terry – »
    Es folgte eine Pause, und Zorn wartete. Er wusste, dass der Alte eine Schwäche für Grove hatte, und wahrscheinlich brachte es den Direktor um den Schlaf, seinem Musterknaben in den Rücken zu fallen. Doch Zorn hegte schon lange keinen Zweifel mehr daran, dass Groves Tage gezählt waren. Der große Ulysses Grove war augenscheinlich durchgedreht und fledderte irgendeine Steinzeitmumie, anstatt einen Plan zu entwickeln, wie man auf den nächsten Sun-City-Fall reagieren sollte.
    «Terry, Sie werden in dieser Mumien-Angelegenheit offiziell Grove

Weitere Kostenlose Bücher