Die Eismumie
ist oberflächlich?» Zorn stand über ihm und wartete ungeduldig.
Grove stand auf. «Der Unterschied zwischen diesem Opfer und dem Eismann.»
«Was zum Teufel reden Sie da?»
Grove steuerte mit energischen Schritten auf Hausers Wagen zu. «Man muss nur die richtigen Beobachtungen machen und die Viktimologie beachten», sagte Grove mehr zu sich selbst als zu Zorn.
Zorn eilte ihm hinterher. «Was haben Sie gesehen? Was geht hier vor?»
Grove zog im Gehen die Latexhandschuhe aus. «Wir müssen mit den Leuten sprechen, die in Alaska als Erste am Tatort waren.»
«Wovon, um Himmels willen, reden Sie?! Es gibt keinen Tatort in Alaska!»
«Ich will mit den Leuten reden, die dabei waren, als die Mumie aus dem Eis geborgen wurde. Die Mumie ist der Schlüssel zu allem.»
Zorn hatte Grove endlich eingeholt und hielt ihn am Arm fest. «Der Schlüssel?! Scheiße, was faseln Sie da eigentlich, Grove?»
«Der Mumie wurden innere Organe entnommen. Die Sun-City-Opfer sind hingegen nur oberflächlich verletzt. Ihre Organe sind allesamt intakt. Das ist der Schlüssel. Über die Schnittwunden, durch die man der Mumie die Organe entnommen hat, ist nie etwas veröffentlicht worden, sie sind mit keinem Wort in den Artikeln im Discover Magazine erwähnt.»
Grove drehte sich herum und wollte weiter auf den Wagen des Captains zugehen, als Zorn ihn plötzlich zurückhielt. «Moment! Grove, warten Sie! Ich habe noch immer nicht verstanden, worauf Sie hinauswollen.»
«Der Mann, den wir suchen, der Sun-City-Mörder – er muss die Mumie gesehen haben.»
«Wie kommen Sie darauf?»
«Dem Eismann wurden die inneren Organe entnommen. Das ist dem Mörder entgangen.»
«Wie?» Zorn hatte nun vollkommen den Faden verloren.
«Er konnte diese Wunde nicht sehen, er konnte einfach nicht sehen, dass der Mumie Organe herausgeschnitten worden waren. Es kommt nur darauf an, was man sieht; man muss die richtigen Beobachtungen machen.»
Zorns Stirn lag in Falten. «Sie sind sich da wohl absolut sicher.»
«Er war dort, Terry. Als man die Mumie fand, war er dort. Er hat sie gesehen.»
Grove wandte sich ab und ging zum Wagen. Zorn blieb sprachlos im Flackern der Blaulichter zurück.
Kapitel 6
Unsichtbare Kräfte
Michael Okuda zog sich in eine Toilettenkabine zurück. Das Quietschen seiner Trekking-Stiefel auf den Fliesen hallte in der verlassenen Herrentoilette wider. Das Geräusch rief Okuda in Erinnerung, dass er um diese frühe Stunde noch alleine in dem weitläufigen Gebäude war. Er fühlte sich plötzlich einsam, und das machte ihn nervös. Er war besonders zeitig ins Labor gefahren, noch vor dem Morgengrauen, um mit der Fleißarbeit voranzukommen, die Dr. Mathis ihm aufgetragen hatte – er sollte eine ganze Hängeregistratur voller Mitochondrien-Testergebnisse ordnen. Allmählich bedauerte er diesen Entschluss. Er hätte noch gemütlich zu Hause im Bett liegen, oder besser noch, an seinen eigenen Sachen arbeiten können. Schon lange plante er, sich auf eine andere Stelle zu bewerben, wo zumindest die entfernte Aussicht auf ein Weiterkommen bestand.
Okuda verriegelte die Kabinentür und hockte sich auf die Klobrille. Er war allerdings nicht gekommen, um seine Notdurft zu verrichten. Seine Hände zitterten, er griff in seine Schultertasche und zog eine Streichholzschachtel hervor, die mit Tesafilm und einem Gummiband umwickelt war.
Er zog ein winziges Wachspapierpäckchen mit Heroin aus der Schachtel und öffnete es. Okuda bezog den Stoff von einem Chemiestudenten höheren Semesters aus dem Nachbargebäude, und es war allerbeste Ware. Okuda war so weit, dass er den ganzen Tag lang nur arbeiten konnte, wenn er sich wenigstens eine Nase oder besser noch zwei von dem weißen Pulver verabreichte. Bisher war es ihm gelungen, seinen Drogenkonsum geheim zu halten, aber es wurde von Tag zu Tag schwieriger, das Geheimnis zu verbergen. Erst neulich war Mathis überraschend in der kleinen Küche aufgetaucht, in der die Angestellten sich selber ihr Mittagessen zubereiten konnten. Okuda war alleine gewesen, doch das plötzliche Erscheinen seiner Chefin hatte ihm keine andere Wahl gelassen, als Stoff im Wert von fünfundsiebzig Dollar den Ausguss hinunterzuspülen.
Er zog ein Stück Papier aus der Tasche – die Kopie einer Röntgenaufnahme von Keanu – und zog auf der glänzenden Oberfläche eine feine Linie. Dann schob er sich einen dünnen Strohhalm in die Nase und schniefte gierig den Stoff von der Röntgenaufnahme.
Ein kalter
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