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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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Blitz fuhr ihm durch die Nasengänge bis tief in den Hals. Er hatte es schon immer vorgezogen, die Droge zu schniefen, statt zu rauchen oder gar, Gott bewahre, zu spritzen. Okuda hasste Nadeln. Er setzte sich zurück, lehnte den Kopf gegen die Wand und wartete darauf, dass der Rausch ihn beruhigte. Noch zitterten seine Hände. Vor Nervosität verkrampften sich seine Eingeweide. Er starrte das Röntgenbild an und sah das milchige und unscharfe Bild des Mumienschädels mit den tiefen Augenhöhlen, die wie zwei große Krater in einer Reliefkarte aussahen.
    Seit der FBI-Profiler im Labor schnüffelte und Verbindungen zwischen der Mumie und dem Serienkiller der Gegenwart knüpfte, wurde Okuda die Situation zusehends unheimlicher. Hier ging etwas vor, das sich seinem Verstand entzog, das die Grenzen der prosaischen Welt von Laboranalysen und wissenschaftlichen Methoden sprengte.
    Ein Geräusch draußen auf dem Korridor ließ Okuda zusammenzucken.
    Es hörte sich nach leisen Schritten an oder nach einer Stimme. Okuda war sich nicht sicher. Die Hausmeister machten um diese Zeit ihre Rundgänge. Es ist bestimmt nur einer von ihnen, versuchte er sich zu beruhigen. Wurde er vielleicht langsam paranoid? Er fragte sich, wie sehr er bereits von der Droge abhängig war. Würden sich die Panikattacken bald häufen? Am Ende würde er noch in eine Anstalt eingewiesen. Ein Therapeut hatte Okuda einmal erklärt, dass er Drogen nahm, weil seine Mutter und sein Vater in ihrem Urteil so streng mit ihm gewesen seien. Sie waren Einwanderer der ersten Generation gewesen, aus Okinawa. Sie hatten Okuda stets gedrängt, an akademischen Wettbewerben teilzunehmen – Buchstabiermeisterschaften, Debatten, Aufsatzwettbewerbe –, denn nur darum gehe es in Amerika: sich zu messen, zu gewinnen, den anderen zu besiegen. Als der Junge die Abschlussklasse der Highschool erreicht hatte, litt er bereits unter einem ausgewachsenen Magengeschwür.
    Die Geräusche näherten sich der Herrentoilette. Zunächst nur hastige Schritte, dann eine gedämpfte Stimme.
    «Michael? Sind Sie da drinnen?»
    Als es klopfte, fuhr Okuda zusammen. Er ließ die Röntgenaufnahme fallen, und die Streichholzschachtel glitt ihm aus der Hand. Adrenalin schoss durch seine Adern, ein Feuerwerk explodierte vor seinem inneren Auge, die volle Wirkung der Droge setzte ein. Er wischte den feinen Staub von seiner Kleidung ab und schluckte kräftig. Sein Mund war trocken. Er atmete tief durch und versuchte, den Schock abzuschütteln. Wer zum Teufel mochte um fünf Uhr in der Früh nach ihm suchen?
    «J-ja – wer ist denn da?» Okudas Stimme bebte.
    «Grove, Agent Grove. Die Wache hat mich reingelassen und mir gesagt, Sie seien hier unten.»
    «Einen Moment noch!» Okuda wusste nicht, was er tun sollte. Er ließ sich auf Hände und Knie fallen, um das Röntgenbild und die Streichholzschachtel aufzuheben. Er legte das Bild zurück in seine Tasche und zog den Reißverschluss zu; die Streichholzschachtel schob er hastig in die Hosentasche.
    «Alles okay?», verlangte die Stimme zu wissen.
    «Ich komme!»
    Okuda stieß die Tür der Toilettenkabine auf und ging zum Spiegel. Sein Gesicht war aschfahl. Das Heroin trieb ihm die Tränen in die Augen. Würde der Profiler an dem glasigen Blick erkennen, was mit ihm los war? Eine seltsame Leichtigkeit überfiel Okuda; es war ihm mit einem Mal ziemlich gleichgültig, was andere über ihn denken mochten. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, trocknete sich ab und ging hinüber zur Tür.
    «Tut mir Leid, Sie so zu überfallen», sagte der hoch gewachsene Schwarze, nachdem Okuda die Tür geöffnet hatte. Grove stand auf dem Korridor, die Hände in den Taschen seines Tweedmantels. Er brannte förmlich vor Tatendrang. Seine Schultern waren feucht vom Regen. «Ich hab’s bei Ihrer Wohnung versucht und mir dann gedacht, dass Sie vielleicht schon früh zur Arbeit sind», sagte Grove.
    «Was gibt es denn?», fragte Okuda. Seine Stimme klang in seinen eigenen Ohren kleinlaut und erstickt. «Stimmt was nicht?»
    «Ich brauche Ihre Hilfe», sagte Grove.
    «Jederzeit.»
    «Ich muss alles über den Tag erfahren, an dem man die Mumie gefunden hat.»
    «Keanu?»
    «Genau. Ich muss wissen, wer ihn gefunden hat, wer ihn zuerst gesehen hat.»
    Okuda dachte kurz nach. «Es waren… Bergwanderer, glaube ich. Sie machten Urlaub.»
    «Ich brauche alles, was Sie haben, Namen, Adressen, Telefonnummern – ich muss über jede einzelne Person Bescheid wissen, die an jenem Tag auf

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