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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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dem Berg war.»
    Okuda zuckte mit den Schultern. «Wir haben das in unseren Akten… aber vielleicht sollten Sie auch mit der Polizei reden.»
    «Dürfte ich mir zunächst Ihre Unterlagen anschauen?»
    «Kommen Sie bitte», sagte Okuda und schob sich durch die Tür auf den Korridor.
    Er führte den Profiler durch das Labyrinth aus Arbeitsnischen, Leuchttischen, Elektronenmikroskopen und Untersuchungsbereichen. Als ‹Trockenlabor› bezeichnet, nahm dieser Bereich einen großen Teil des Untergeschosses ein und lag jetzt völlig leer, dunkel und still da. Okuda war inzwischen völlig high. Die dunklen Schatten in den Räumen schienen mit unerklärlicher Energie zu pulsieren. Auch Grove umgab eine strahlende Aura. Der Gesichtsausdruck des Mannes war konzentriert und entschlossen, fast wie bei einem Pitcher beim Baseball, der unbedingt den entscheidenden Strike erzielen wollte.
    Als sie am Ende des Hauptkorridors angelangt waren, erinnerte sich Okuda an das Tagebuch. «Wissen Sie was», sagte er über die Schulter hinweg und schnippte mit den Fingern. «Es gibt da ein Dokument, das Sie sich ansehen sollten.»
    «Was für ein Dokument?» Grove folgte Okuda schnellen Schrittes.
    «Eine Park-Rangerin war an dem Tag dabei, und sie hat ein Journal geführt.»
    «Ein Journal?»
    «Ein Tagebuch, ja, wir haben im vergangenen Jahr bei unserer Präsentation vor der Royal Academy Auszüge daraus verwendet.»
    «Und Sie haben ihre Eintragungen von diesem Tag?»
    «Ja, natürlich, das sage ich doch.» Okuda nickte, während sie weitermarschierten. «Wir haben ihre Eintragungen zu dem Tag, als man den Eismann gefunden hat.»
    Sie bogen in einen schmalen Nebenkorridor ab. An den Türen in diesem Gang fehlten die Namensschilder.
    Das Tagebuch hatte Groves Neugierde geweckt. «Ist es ein privates Journal?»
    «Was meinen Sie?»
    «Es ist persönlich, nicht wahr? Es sind keine offiziellen Aufzeichnungen oder etwas, das mit ihrem Job zu tun hat.»
    «Richtig. Es ist die Kopie des persönlichen Tagebuchs der Frau. Die ganze Sache hat sie ziemlich fertig gemacht. So, da wären wir schon.» Am Ende des Gangs blieb Okuda vor einer Eisentür mit einem Magnetschloss stehen. Er zog eine kleine Chipkarte durch das Schloss, und die Tür öffnete sich mit einem Klicken. Okuda führte Grove in einen dunklen Archivraum.
    Noch bevor die Neonröhren stotternd erwachten, bemerkte Grove den muffigen Geruch, der von den von Hand beschrifteten Ordnern in den langen Regalen ausging. Dazwischen drängten sich unzählige gebundene Berichthefte und zerfledderte alte Buchbände. Die Regale reichten bis an die fünf Meter hohe Decke heran. Als Arbeitsplatz diente ein abgenutzter Konferenztisch, der mitten im Raum stand und mit Indexkarten überhäuft war. Der zerschlissene Teppich hatte die Farbe von angetrocknetem Senf. Es roch nach Schimmel.
    «Wenn ich mich nicht irre, liegt das Tagebuch noch immer in der Zwischenablage», murmelte Okuda. Er durchquerte den Raum und kniete bei einer Reihe von Aktenheftern aus schwarzem Kunststoff nieder.
    «In der Zwischenablage? Wie meinen Sie das?», erkundigte sich Grove.
    «Hier lagern wir die aktuellen Dokumente. Solange sich Unterlagen in der Zwischenablage befinden, haben alle Abteilungen Zugriff darauf… ah, hier ist es ja.» Mit beschwingter Leichtigkeit zog Okuda einen Ordner heraus und schlug ihn auf. Die Signatur auf der ersten Seite verriet ihm, dass er gefunden hatte, wonach er suchte. Okuda lächelte. Im Gegensatz zum weit verbreiteten Mythos sind Heroinsüchtige keine asozialen Wesen, die in düsteren Opiumhöhlen vor sich hindämmern. Der Drogenrausch beeinflusst die Persönlichkeit und wirkt so überwältigend auf das zentrale Nervensystem, dass dem Junkie gar nichts übrig bleibt, als eine freundliche und sympathische Verhaltensweise an den Tag zu legen. Erst wenn ein paar Stunden später der Entzug einsetzt, wacht der Süchtige in seiner eigenen Hölle auf. «Ich glaube, die ersten zehn Seiten des Tagebuchs beziehen sich auf den Tag, an dem die Mumie gefunden wurde», sagte Okuda, als er Grove den Ordner reichte. «Der Ranger ist eine junge Dame namens Lori Havers. Ich kann Ihnen nicht viel über sie sagen… außer dass sie am Ausgangspunkt des Mount-Cairn-Wanderwegs Dienst hatte, in dem Gebiet, wo Keanu entdeckt wurde.»
    Grove nahm den Ordner entgegen und überflog die ersten Zeilen des Berichtes.
    «Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, kam die Frau aus Denver. Sie hatte einen Magister in

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