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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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gibt, auf die ich uneingeschränkt setze, dann sind es Ihre.»
    «Tom, ich – »
    «Eine Operation von der Größenordnung, wie Sie sie beschreiben, würde eine stolze Summe verschlingen. Allein der Papierkram würde die Büros für einige Wochen verstopfen.» Geisel schüttelte den Kopf und strich sich mit den Fingern durch das grau melierte Haar. «Wenn Sie einen konkreten Beweis in der Hand hätten – erzählen Sie uns weiter von Ihren Ahnungen.»
    Grove fragte sich, wie weit er ihnen gegenüber gehen sollte. Er atmete tief durch. «Der Grund, warum ich dieses Gefühl habe… es ist schwer zu erklären. Ich habe diese Ahnung, seit ich die Mumie zum ersten Mal gesehen habe.»
    Totenstille.
    «Ich weiß, wie sich das anhört», fuhr er fort. «Ich kann es ja selbst nicht verstehen. Aber die Wahrheit in diesem Fall verbirgt sich tief unter der Oberfläche. Einen Vorgeschmack davon habe ich bekommen, als ich die Mumie zum ersten Mal sah… als mir bewusst wurde, dass es sich um dieselbe Signatur wie bei den Sun-City-Morden handelte. Der Ausdruck auf dem Gesicht. Sie haben Fotos in Ihren Unterlagen, darauf können Sie sehen, wovon ich spreche.»
    «Ulysses – »
    «Ich werde dafür bezahlt, dass ich Fakten beurteile und Vermutungen anstelle», fuhr Grove fort und ging langsam um den Tisch herum. «Es sind persönliche Beurteilungen, subjektive Meinungen. Ich muss mich dabei oft auf meine Gefühle verlassen… und bisher haben sie mich selten im Stich gelassen. Ich glaube, wir sollten unsere Arbeit oben in Anchorage weiterführen, und ich glaube, wir sollten nach Ackerman fahnden. Ackerman ist unser Mann. Dessen bin ich mir ganz sicher. Er ist unser Mann. Und auf etwas anderes kommt es doch eigentlich gar nicht an. Oder?»
    Als ihm niemand antwortete, hielt Grove inne und stützte sich mit beiden Fäusten auf den Tisch. «Täusche ich mich da etwa?», fragte er, ohne eine Reaktion zu ernten. «Haben wir eine bessere Spur als diesen Kerl?»
    Grove spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Sie mussten ihm zustimmen. Sie mussten ihm geben, wonach er verlangte. Ihnen blieb im Grunde keine andere Wahl.
    Tausend Meilen entfernt, etwas außerhalb von Portland, Oregon, lag der Mann, der einmal Richard Ackerman gewesen war, auf dem Fußboden eines billigen Motelzimmers.
    Sein langer Körper zuckte in schweren Krämpfen, und seine breiten Schultern bogen sich angespannt nach hinten. Sein graues Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen zu einer unkenntlichen Grimasse. Aus seiner Kehle drang ein leises Wimmern. Es war ein ausdrucksloses Weinen. Die körperlichen Schmerzen hatten nur wenig damit zu tun. Die Qualen entsprangen dem letzten Rest seines Bewusstseins, dem letzten Überbleibsel an Menschlichkeit, das sich gegen das Ding in ihm zur Wehr setzte.
    «Nein, ich werde es nicht tun», widersprach er schluchzend der Stimme in seinem Kopf. «Ich bin damit fertig, absolut fertig, ich werde es nicht wieder tun.»
    Die Stimme war jedoch anderer Meinung und erklärte ihm gelassen, dass er fortfahren würde zu töten. Er würde es wieder und wieder tun, bis er endlich das eine, auserwählte Opfer gefunden hatte.
    « – NEIN! – NEIN! – NEEEEIIIN!!!», schrie Richard Ackerman in Höllenqualen und trommelte mit den Fäusten auf den Fußboden. Aus seinen tellergroßen Händen standen deutlich die Adern und Knochen hervor. Sie sahen aus wie die Hände eines alternden Handwerkers. Es waren aber Hände, die einst über Taschenrechner gehuscht waren und Tabellenkalkulationen getippt hatten, die Industriekapitänen zu Diensten gewesen waren und die Millionen von den Einkommenssteuerrückzahlungen großer Unternehmen abgezweigt hatten.
    Die innere Stimme verstummte plötzlich und befreite ihn vorübergehend von dem dauernden Druck in seinem Kopf. «Okay, okay, okay, ich werde damit fertig», keuchte er in den Teppich. «Ich kann dieses Ding besiegen, ich kann es.»
    Er schluckte das Grauen und den giftigen, metallischen Geschmack in seinem Mund hinunter, rappelte sich auf und schleppte sich schwerfällig hinüber zum Spiegel. Er trug ein zerrissenes Flanellhemd, an dem die Hälfte der Knöpfe fehlte, sodass seine schlaffe und schmutzige Brust zu sehen war, die er über und über mit Blut und Kot beschmiert hatte. Er betrachtete das Gesicht im Spiegel. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen, vergraben zwischen unzähligen Falten. Sein stahlgraues Haar, das einst von den besten Friseuren an der Michigan Avenue akribisch gestylt worden war,

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