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Die Eisprinzessin schläft

Die Eisprinzessin schläft

Titel: Die Eisprinzessin schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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geworfen, die er ihnen hinhielt, aber bei weitem nicht so viel, wie er gehofft hatte. Außerdem erkannte ein Kunde, der Vater eines seiner Klassenkameraden, Bengt trotz des Nylonstrumpfes wieder. Schon nach einer Stunde war die Polizei bei ihm zu Hause und fand die Tasche mit dem Geld in seinem Zimmer unterm Bett. Bengt vergaß nie den Ausdruck im Gesicht seiner Mutter. Sie war jetzt seit vielen Jahren tot, aber ihre Augen verfolgten ihn noch immer, wenn die Angst ihm im Delirium zusetzte.
    Drei Jahre Gefängnis hatten alle Hoffnung auf eine Zukunft vernichtet. Als er wieder rauskam, war Maud seit langem verschwunden. Wohin, wußte er nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Alle seine alten Freunde waren ihren Weg weitergegangen, hatten sichere Arbeitsplätze und ein Familienleben und wollten nichts mit ihm zu tun haben. Sein Vater war in der Zeit, als Bengt im Gefängnis saß, verunglückt, und so zog er zu seiner Mutter. Mit der Mütze in der Hand versuchte er einen Job zu finden, stieß aber überall, wohin er auch ging, auf Ablehnung. Niemand wollte etwas mit ihm zu schaffen haben. Das, was ihn schließlich dazu trieb, seine Zukunft auf dem Grund der Flasche zu suchen, waren all die Blicke, die ihm ständig folgten.
    Für einen, der in der Geborgenheit eines kleinen Ortes, wo sich alle auf der Straße grüßten, seine Kindheit verbracht hatte, war das Gefühl, ausgestoßen zu sein, genauso schmerzhaft wie körperliche Schläge. Er hatte überlegt, aus Fjällbacka wegzuziehen, aber wohin sollte er gehen? Da war es einfacher, hierzubleiben und sich statt dessen vom gesegneten Alkohol einlullen zu lassen.
    Anders und er hatten sich im Handumdrehen gefunden. Zwei arme Teufel nannten sie sich immer und lachten bitter. Bengt hegte eine geradezu väterliche Zuneigung zu Anders und empfand größere Trauer über dessen Schicksal als über das eigene. Er wünschte oft, daß er etwas tun könnte, um Anders’ Leben eine andere Richtung zu geben, aber da er selbst die verführerischen Locktöne des Alkohols kannte, wußte er, wie unmöglich es war, sich von einer solch anspruchsvollen Geliebten loszureißen, die der Schnaps im Laufe der Jahre geworden war. Sie verlangte alles und gab nichts zurück, und das einzige, was sie beide tun konnten, war, sich gegenseitig ein wenig zu trösten und sich Gesellschaft zu leisten.
    Der Weg zu Anders’ Hauseingang war sorgfältig freigeschaufelt und mit Sand bestreut, und er brauchte nicht vorsichtig zu trippeln, um die Flasche in seiner Innentasche zu schützen, wie er es in diesem strengen Winter viele Male hatte tun müssen, als das Eis blank und glatt bis zu den Stufen reichte.
    Die drei Treppen zu Anders’ Wohnung hoch waren immer eine Herausforderung, denn ein Fahrstuhl fehlte hier. Mehrmals blieb er stehen, um Luft zu holen, und zweimal nutzte er die Gelegenheit, um sich mit einem Schluck aus der Flasche zu stärken. Als er endlich vor Anders’ Wohnung stand, keuchte er heftig und lehnte sich ein Weilchen an den Türpfosten, bevor er die Tür öffnete, die Anders, wie er wußte, nie abschloß.
    Es war still in der Wohnung. Vielleicht war Anders nicht zu Hause? Wenn er seinen Rausch ausschlief, hörte man die tiefen Atemzüge und die schniefenden Schnarchlaute schon im Korridor. Bengt schaute in die Küche. Niemand dort, außer den üblichen Bakterienkulturen. Die Badezimmertür stand weit offen, und auch dort war keiner. Als er um die Ecke bog, hatte er ein ungutes Gefühl im Bauch. Der Anblick des Wohnzimmers ließ ihn abrupt stehenbleiben. Die Flasche, die er in der Hand hielt, fiel mit einem dumpfen Poltern zu Boden, aber das Glas hielt.
    Das erste, was er sah, waren die nackten Füße, die ein Stück über dem Fußboden baumelten. Sie schwangen in einer pendelnden Bewegung leicht hin und her. Anders trug eine Hose, sein Oberkörper war unbekleidet. Der Kopf hing in einem merkwürdigen Winkel herunter. Das Gesicht war geschwollen und verfärbt, und die Zunge schien zu groß für den Mund, denn sie ragte ein Stück über die Lippen heraus. Es war der traurigste Anblick, der sich Bengt je geboten hatte. Er machte kehrt und ging langsam aus der Wohnung, doch zuvor hob er die Flasche vom Boden auf. Blind suchte er in seinem Inneren nach irgend etwas, um sich daran festzuhalten, doch da war nur Leere. Statt dessen griff er nach der einzigen Rettungsleine, die er kannte. Er setzte sich auf die Schwelle von Anders’ Zuhause, nahm die Flasche an den Mund und weinte.
     
    Es

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