Die Eisprinzessin schläft
dann wohl hochgehen, damit ich mir das ansehe, und unterdes kannst du mir erzählen, was du weißt. Zum Beispiel, wie ihr verständigt worden seid.«
Lena übernahm die Führung und ging vor ihm ins Treppenhaus.
»Ja, wie ich schon gesagt habe, hat ihn einer von Anders’ Saufkumpanen gefunden. Er heißt Bengt Larsson. Heute früh ist er hergekommen, um mit dem Trinken anzufangen, solange die Morgenstund noch Gold im Mund hatte. Normalerweise ging er einfach rein, und das hat er heute auch getan. Als er in die Wohnung kam, fand er Anders an einem Strick aufgehängt, der im Wohnzimmer an der Halterung für die Deckenlampe befestigt war.«
»Hat er sofort Alarm geschlagen?«
»Nein, das hat er nicht. Er hat sich auf die Schwelle der Wohnung gesetzt und seinen Kummer mit einer Flasche Explorer ertränkt, und erst als ein Nachbar aus der Tür kam und ihn fragte, was los sei, hat er von sich gegeben, was passiert ist. Dann hat uns der Nachbar angerufen. Bengt Larsson ist zu betrunken, um genauer gehört zu werden, also habe ich ihn gerade in eure Ausnüchterungszelle schaffen lassen.«
Patrik fragte sich im stillen, warum Mellberg ihn nicht angerufen und von der ganzen Aktion informiert hatte, aber resignierte dann und begnügte sich mit der Erklärung, daß die Wege des Kommissars in den meisten Fällen völlig unergründlich waren.
Patrik nahm immer zwei Stufen auf einmal und überholte Lena auf der Treppe. Als sie im dritten Stock ankamen, stand die Tür weit offen, und er sah Menschen, die sich in der Wohnung bewegten. Jenny stand mit Max auf dem Arm in ihrer Tür. Als Patrik zu ihnen trat, fuchtelte Max begeistert mit seinen kleinen, drallen Händen und zeigte lächelnd seine spärlich bestückte Zahnreihe.
»Was ist passiert?« Jenny zog Max fester an sich, der sein Bestes tat, um sich aus ihrer Umarmung zu befreien.
»Wir wissen es noch nicht. Anders Nilsson ist tot, aber viel mehr ist uns nicht bekannt. Sie haben nichts Ungewöhnliches gehört oder gesehen?«
»Nein, ich kann mich an nichts Besonderes erinnern. Das erste, was ich gehört habe, war, daß der Nachbar von nebenan mit jemandem im Treppenhaus sprach, ein Weilchen später kamen die Streifenwagen und ein Krankenwagen, und hier draußen ging ein Mordsspektakel los.«
»Sonst nichts, besonders am frühen Morgen oder gestern im Laufe des Abends oder der Nacht?«
»Nein, nichts.«
Also beließ es Patrik vorläufig dabei.
»Okay, danke für die Hilfe.« Er lächelte Max zu und ließ ihn seinen Zeigefinger packen, was für Max offenbar unglaublich lustig war, denn er lachte so sehr, daß er fast keine Luft bekam. Widerstrebend riß Patrik sich los und wich langsam zu Anders’ Wohnung zurück, während er Max weiter zuwinkte und sich mit kindlichem Lallen verabschiedete.
Lena stand mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen in der Tür. »Hast wohl ein bißchen Appetit bekommen?«
Patrik spürte zu seinem Entsetzen, daß er rot wurde, was Lenas Lächeln nur noch breiter werden ließ. Undeutlich murmelte er etwas zur Antwort. Sie betrat vor ihm die Wohnung und sagte über die Schulter: »Ja, hör mal, brauchst doch nur Bescheid zu sagen. Ich bin frei, Single, und meine biologische Uhr tickt so laut, daß ich nachts kaum schlafen kann.«
Patrik wußte, daß sie Spaß machte, dieses scherzhafte Flirten war typisch für Lena. Trotzdem konnte er nicht verhindern, daß er noch mehr errötete. Er sparte sich die Antwort, und als sie das Wohnzimmer betraten, verging beiden das Lachen.
Jemand hatte Anders’ Leiche abgeschnitten, und jetzt lag er auf dem Boden. Direkt über ihm hing noch immer das Ende des Stricks, der ungefähr zehn Zentimeter unterhalb der Halterung gekappt worden war. Der Rest lag Anders als Schlinge um den Hals, und Patrik konnte die tiefe feuerrote Linie sehen, wo der Strick sich in die Haut eingeschnitten hatte. Was ihm bei toten Personen immer am schwersten ankam, war der Anblick ihrer unnatürlichen Gesichtsfarbe. Erdrosselung führte zu einer schrecklichen blaulila Verfärbung, die das Opfer äußerst merkwürdig aussehen ließ. Auch die dicke, geschwollene Zunge, die zwischen den Lippen herausragte, war ihm als typisch für Opfer bekannt, die erwürgt oder erhängt worden waren. Obwohl seine Erfahrung bei Mordfällen, gelinde gesagt, begrenzt war, so hatte die Polizei doch jedes Jahr einen gehörigen Anteil an Selbstmorden, und er selbst war im Laufe seiner Tätigkeit dreimal gezwungen gewesen, die Toten mit
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