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Die Eisprinzessin schläft

Die Eisprinzessin schläft

Titel: Die Eisprinzessin schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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sie die Sache mit einem ordentlichen Kniff in seine Wange abgerundet hatte.
    »Geh jetzt nach Hause und zieh dich um, hörst du. Du stinkst!«
    Mit dem Kommentar fand er sich auf den Flur befördert. Wange und Rippen schmerzten. Er befühlte vorsichtig seinen Brustkorb. Er mochte Annika wirklich wahnsinnig gern, aber manchmal wünschte er, sie würde einen armen Fünfunddreißigjährigen, mit dessen Konstitution es rasch abwärtsging, etwas behutsamer behandeln.
    Badholmen lag einsam und verlassen da. Im Sommer war es hier knüppeldicke voll mit fröhlichen Badegästen und tobenden Kindern, aber jetzt pfiff der Wind schneidend über den Schnee, der in der Nacht zu einer dicken Decke angewachsen war.
    Erica trat vorsichtig in die Schicht, die auf den glattgeschliffenen Klippen lag. Sie hatte das starke Bedürfnis nach frischer Luft verspürt, und hier, von Badholmen aus, konnte sie ungestört auf die Inseln und die anscheinend unendliche weiße Eisfläche blicken. Autogeräusche erklangen in der Ferne, aber ansonsten war es barmherzig still, und sie konnte fast ihre eigenen Gedanken hören. Neben ihr ragte der Sprungturm in die Höhe. Er war nicht genauso hoch, wie sie in ihrer Kindheit geglaubt hatte - damals schien er bis in den Himmel zu reichen -, aber noch immer war er hoch genug, daß sie es nie wagen würde, an einem warmen Sommertag von der obersten Plattform in die Tiefe zu springen.
    Sie könnte ewig hier stehenbleiben. Dick eingemummelt, widerstand sie der Kälte, die durch die Kleidung zu dringen suchte, und in ihrem Inneren fühlte sie das Eis schmelzen. Ihr war selbst nicht klar gewesen, wie einsam sie sich gefühlt hatte, das merkte sie erst jetzt, wo sie es nicht mehr war. Aber was würde aus ihr und Patrik werden, wenn sie nach Stockholm zurückziehen mußte? Dann lagen mehrere hundert Kilometer zwischen ihnen, und zu einer Fernbeziehung fühlte sie sich viel zu alt.
    Wenn man sie zwang, sich auf den Verkauf des Hauses einzulassen, gab es dann trotzdem eine Möglichkeit für sie, hier in der Gegend zu bleiben? Sie wollte nicht bei Patrik einziehen, bevor die Haltbarkeit ihrer Beziehung von der Zeit geprüft worden war, und so bliebe ihr also nur die Möglichkeit, sich nach einer anderen Unterkunft in Fjällbacka umzusehen.
    Das Problem war nur, daß sie das überhaupt nicht lockte. Der Hauptgrund war, daß sie bei einem Verkauf ihrer jetzigen Bleibe lieber alle Verbindungen zu Fjällbacka kappen würde, als daß sie herkommen und fremde Leute in ihrem Elternhaus herumlaufen sehen wollte. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, hier eine Wohnung zu mieten, das käme ihr gar zu komisch vor. Sie spürte, wie die Freude im gleichen Maße abnahm, wie sich die negativen Gedanken häuften. Sicher ließ sich das Problem irgendwie lösen, aber sie mußte zugeben, daß, obwohl sie nicht gerade uralt war, die vielen Jahre, in denen sie nur an sich selber hatte denken müssen, ihre Spuren hinterlassen hatten. Sie fühlte sich einfach nicht mehr richtig flexibel. Nach reiflicher Überlegung war sie zu dem Schluß gekommen, daß sie bereit war, ihr Leben in Stockholm aufzugeben, aber nur, wenn sie in dem vertrauten Milieu des Hauses wohnen bleiben konnte. Ansonsten wären es einfach zu viele Veränderungen in ihrem Universum, und auch wenn sie noch so verliebt war, würde sie das nicht verkraften.
    Vielleicht hatte auch der Tod der Eltern dazu beigetragen, daß sie zu großen Veränderungen nicht mehr sonderlich bereit war. Die eingetretene genügte ihr erst einmal für viele Jahre, und jetzt wollte sie in ein ruhiges, sicheres, voraussagbares Dasein eintauchen. Sie wollte ihr Leben mit all den üblichen Schritten planen. Zusammenziehen, verloben, Heirat, Kinder und dann eine lange Reihe sich aneinanderfügender Tage, bis sie beide sich dann irgendwann ansehen und feststellen würden, daß sie zusammen alt geworden waren. Das war doch wohl nicht zuviel verlangt.
    Zum erstenmal empfand sie plötzliche Trauer beim Gedanken an Alex. Es war, als würde sie erst jetzt begreifen, daß deren Leben unwiderruflich zu Ende war. Obwohl ihre Wege sich so viele Jahre nicht gekreuzt hatten, war Alex immer wieder in Ericas Gedanken aufgetaucht, und sie hatte gewußt, daß Alex’ Leben weiterging, parallel zu ihrem eigenen. Jetzt war es nur noch sie, die eine Zukunft hatte, die alle Freuden und allen Kummer erleben würde, die die Jahre brachten. Jedesmal wenn sie jetzt an Alex dachte, und so würde es für den Rest ihres Lebens

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