Die Eisprinzessin schläft
Sie war untröstlich nach seinem Verschwinden, und Fabian Lorentz hat sich nie von diesem Verlust erholt. Er starb ungefähr ein Jahr später an einer Herzattacke. Der einzige Erbe des Vermögens ist jetzt ein Pflegesohn, den sie, ein gutes Jahr bevor Nils verschwand, zu sich genommen haben und den Nelly ein paar Jahre nach dem Tod ihres Mannes adoptiert hat. Ja, das hier war nur eine kleine Auswahl vom lokalen Klatsch. Ich verstehe noch immer nicht, was das für einen Zusammenhang mit Alex haben kann. Das einzige, was die Familien damals miteinander zu tun hatten, war, daß Karl-Erik im Büro von Lorentz’ Konservenfabrik gearbeitet hat, bevor sie dann nach Göteborg gezogen sind. Aber das ist ja über fünfundzwanzig Jahre her.«
Erica erinnerte sich plötzlich an eine weitere Verbindung. Sie erzählte Patrik von Nellys Auftauchen beim Begräbniskaffee und daß sie ihre Aufmerksamkeit fast ausschließlich Julia gewidmet hatte.
»Ich begreife immer noch nicht, wie das mit dem Artikel zusammenhängen kann. Aber irgendwas ist da. Francine, mit der Alex die Galerie geführt hat, glaubte außerdem, daß Alex mit ihrer Vergangenheit aufräumen wollte. Viel mehr als das wußte sie nicht, ich glaube aber, das eine hat mit dem anderen zu tun. Nenne es weibliche Intuition oder so.«
Sie schämte sich ein bißchen, weil sie Patrik nicht die ganze Wahrheit erzählte. Es gab ein weiteres kleines, aber sehr seltsames Puzzleteil, das sie verschwieg. Zumindest so lange, bis sie mehr darüber wußte.
»Ja, gegen weibliche Intuition kann ich schließlich nicht argumentieren. Willst du noch ein bißchen Wein?«
»Ja, bitte.« Erica schaute sich in der Küche um. »Wie schön du es hier hast. Ist die Einrichtung dein Werk?«
»Nein, die Ehre kann ich mir nicht zuschreiben. Auf dem Gebiet war Karin Spitze.«
»Karin, ja, was ist eigentlich passiert?«
»Na ja, das Übliche eben. Das Mädel trifft einen Bandsänger in modischer Bundjacke. Das Mädel verliebt sich, läßt sich von ihrem Mann scheiden und zieht bei dem Sänger ein.«
»Du machst Scherze!«
»Leider nein. Nicht genug damit, daß ich abserviert wurde, sie ist obendrein wegen Leif Larsson gegangen, dem Sänger von Bohusläns berühmtester Tanzband >Leffes<. Dem Mann mit dem tollsten Vokuhila der ganzen Westküste. Ja, du, einem Mann in Bommelloafers hatte man nicht viel entgegenzusetzen.«
Erica schaute ihn mit großen Augen an.
Patrik lächelte. »So in etwa.«
»Aber das muß ja schrecklich gewesen sein! Das war bestimmt nicht leicht zu verkraften.«
»Ich habe mich ziemlich lange selbst bedauert, aber jetzt ist es okay. Nicht gut, aber okay.«
Erica wechselte das Thema. »Die Neuigkeit über die Schwangerschaft ist ja wie eine Bombe eingeschlagen.«
Sie schaute Patrik forschend an, und er hatte das Gefühl, daß mehr hinter ihrer scheinbar unschuldigen Feststellung steckte.
»Ja, es schien jedenfalls so, als hätte sie ihrem Mann diese gute Nachricht nicht mitgeteilt.«
Patrik wartete schweigend auf eine Erwiderung. Nach einem Weilchen hatte Erica sich wohl entschlossen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, aber sie sprach leise und zögernd, noch immer unsicher.
»Laut ihrer besten Freundin ist nicht Henrik der Vater des Kindes.«
Patrik hob die Braue und pfiff, aber sagte noch immer nichts, in der Hoffnung, daß Erica über noch mehr Informationen verfugte.
»Francine hat erzählt, daß Alex hier in Fjällbacka jemanden kannte. Jemanden, wegen dem sie jedes Wochenende herfuhr. Laut Francine hatte Alex mit Henrik nie Kinder haben wollen, aber mit diesem Mann war es anders. Alex war hocherfreut über das Kind gewesen, und daher war Francine eine von denen aus Alex’ Umgebung, die steif und fest behaupteten, daß es kein Selbstmord gewesen sein kann. Alex war nach ihren Worten zum erstenmal im Leben glücklich.«
»Wußte sie etwas über diesen Mann?«
»Nein, nichts. Alex behielt diese Sache völlig für sich.«
»Aber wie konnte ihr Mann akzeptieren, daß Alex ohne ihn jedes Wochenende nach Fjällbacka fuhr? Und wußte er, daß sie hier jemanden traf?«
Noch ein Schluck Wein glitt die Kehle hinunter, und Patrik fühlte seine Wangen heiß werden. Ob es vom Wein kam oder Ericas Anwesenheit daran schuld war, konnte er nicht sagen.
»Offenbar hatten sie eine ziemlich ungewöhnliche Beziehung.
Ich habe Henrik in Göteborg getroffen und hatte das Gefühl, daß das Leben der beiden nebeneinander herlief und sich nur selten kreuzte. Aufgrund der
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