Die Eisprinzessin schläft
könnte, dessen Ausgang sie vermutlich nicht miterleben wollte.
»Antworte auf meine Frage, was machst du hier?«
»Wenn ich mich nicht irre, dann gehört . hmmm . wollen mal sehen, ziemlich genau ein Viertel von alldem hier mir.« Er ließ die Hand über das Haus schweifen, hätte aber ebensogut die ganze Welt meinen können, so groß war seine Selbstsicherheit.
»Die Hälfte gehört mir und die andere Hälfte Anna. Du hast mit diesem Haus nichts zu schaffen.«
»Du bist in bezug auf die eheliche Gütergemeinschaft vielleicht nicht recht im Bilde, ich meine, da du ja keinen hinreichend Bekloppten gefunden hast, der sich mit dir zusammentun wollte, aber, verstehst du, nach dem Gesetz ist es so schön und gerecht geordnet, daß Eheleute alles gemeinsam besitzen. Auch die Anteile an einem Haus am Meer.«
Erica wußte sehr wohl, daß dem so war. Einen Moment verfluchte sie ihre Eltern, die nicht vorausschauend genug gewesen waren, das Haus allein ihren Töchtern zu überschreiben. Auch sie hatten gewußt, was für ein Mensch Lucas war, aber hatten wohl nicht damit gerechnet, daß ihnen nur noch so wenig Zeit blieb. Niemandem gefällt es, an die eigene Sterblichkeit erinnert zu werden, und wie so viele andere hatten sie diese Art von Entscheidungen auf später verschoben.
Sie zog es vor, nicht auf seinen beleidigenden Kommentar, ihren Familienstand betreffend, einzugehen. Lieber blieb sie den Rest ihres Lebens auf dem Glasberg sitzen, als den Fehler zu begehen, so jemanden wie Lucas zu heiraten.
Er fuhr fort: »Ich wollte dabeisein, wenn der Makler kommt. Kann nie schaden, sich zu informieren, wieviel man wert ist. Wir wollen doch, daß alles gerecht zugeht, nicht wahr?«
Er setzte erneut sein infernalisches Grinsen auf. Erica schloß die Tür auf und drängte sich an ihm vorbei. Der Makler ließ auf sich warten, aber sie hoffte, daß er bald auftauchen würde. Ihr gefiel der Gedanke ganz und gar nicht, mit Lucas allein hier zu sein.
Er betrat nach ihr das Haus. Sie hängte ihre Jacke an die Garderobe und begann in der Küche zu wirtschaften. Die einzige Weise, mit ihm fertig zu werden, war, ihn zu ignorieren. Sie hörte ihn durch die Räume gehen, wo er alles inspizierte. Er war erst das dritte oder vierte Mal hier. Die Schönheit, die im Einfachen lag, war nichts, was Lucas zu schätzen wußte, und er hatte auch nie ein größeres Interesse daran gezeigt, Annas Familie zu treffen. Der Vater hatte den Schwiegersohn nicht gemocht, und dieses Gefühl war gegenseitig. Anna und die Kinder waren stets allein zu Besuch gekommen.
Erica mochte es nicht, daß Lucas durch die Zimmer ging und alles berührte, die Möbel und die Schmuckgegenstände. Doch sie bezwang ihren Wunsch, mit einem Lappen hinter ihm herzugehen und alles abzuwischen, was er angefaßt hatte. Mit Erleichterung sah sie einen grauhaarigen Mann in einem großen Volvo in die Auffahrt einbiegen. Sie eilte zum Eingang, um ihm zu öffnen. Dann ging sie in ihr Arbeitszimmer und schloß die Tür hinter sich. Sie wollte nicht sehen, wie er durch ihr Elternhaus ging, es in Augenschein nahm und sein Gewicht in Gold abwog. Oder den Preis pro Quadratmeter festlegte.
Der Computer war bereits eingeschaltet, und auf dem Bildschirm stand der Text, den sie überarbeiten wollte. Zur Abwechslung war sie zeitig aufgestanden und hatte eine ganze Menge geschafft. Vier Seiten des Entwurfs zu dem Buch über Alex hatte sie am Morgen geschrieben, und jetzt ging sie an den Anfang zurück, um sie durchzulesen. Noch immer hatte sie eine ganze Reihe Probleme mit der Form des Buches. Als sie noch im Glauben gewesen war, Alex hätte Selbstmord begangen, hatte sie ein Buch schreiben wollen, das die Ursache ergründete. Das Ganze war dokumentarischer angelegt. Jetzt begann das Material mehr und mehr die Form eines Kriminalromans anzunehmen, ein Genre, das sie nie besonders angesprochen hatte. Sie war an Menschen, deren Beziehungen und psychologischen Strukturen interessiert und fand, daß all das bei den meisten Krimis zurückstehen mußte. Ihr mißfielen die üblichen Klischees, und sie fühlte, daß das, was sie schreiben wollte, tatsächlich etwas Echtes war, versuchte sie doch zu erfassen, warum jemand die schlimmste aller Sünden beging - einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. Bisher hatte sie alles in chronologischer Reihenfolge aufgezeichnet und genau wiedergegeben, was man ihr erzählt hatte. Dazu waren eigene Beobachtungen und Schlußfolgerungen gefügt. Sie würde das
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