Die Eisprinzessin schläft
und war nur reiner Zufall. Jedenfalls gibt es keinen Grund, weiter in der Sache herumzustochern. Alex hat ihre Geheimnisse mit ins Grab genommen.«
»Und das Kind, das sie erwartet hat? War das von Anders?«
»Wer weiß? Von Anders oder von Henrik … Ich rate genauso wie du. Man fragt sich, was die beiden zusammengebracht hat. Ein wirklich ungleiches Paar. Es ist ja zwar nicht gerade ungewöhnlich, daß Leute was nebenher laufen haben, aber Alexandra Wijkner und Anders Nilsson? Ich meine, für mich ist es schon unglaublich, daß er überhaupt jemanden ins Bett gekriegt hat, und Alexandra Wijkner war schließlich - ja, Superklasse ist das einzige, was mir dazu einfällt.«
Einen Augenblick lang meinte er eine Falte zwischen Ericas Augenbrauen zu sehen, aber in der nächsten Sekunde war sie verschwunden, und Erica wirkte wie immer, höflich und nett. Das hatte er sich wohl eingebildet. Sie öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als die Erkennungsmelodie vom Eiswagen in der Diele erklang. Beide zuckten zusammen.
»Das ist mein Handy. Entschuldige mich einen Augenblick.«
Er stürzte hinaus, um zu antworten, und nachdem er einen Moment in der Jackentasche gewühlt hatte, bekam er es zu fassen.
»Patrik Hedström.«
»Hmm … Okay … Ich verstehe … Ja, da sind wir wieder bei Null angelangt. Ja, ja, ich weiß. Ach so, hat er das gesagt. Ja, wie es damit steht, kann man ja nicht wissen. Okay Kommissar, bis dann.«
Er klappte das Handy mit einem deutlichen Klicken zu und wandte sich an Erica. »Zieh dir die Jacke über, dann fahren wir eine Runde.«
»Und wohin?« Erica schaute ihn verwundert an, die Kaffeetasse auf halbem Weg zum Mund.
»Es gibt neue Informationen zu Anders’ Beteiligung an dem Fall. Es scheint, als müßten wir ihn als Verdächtigen streichen.«
»Aha, aber wohin wollen wir dann jetzt?«
»Wir haben beide gespürt, daß irgendwas nicht stimmt. Du hast den Artikel über das Verschwinden von Nils bei Alex entdeckt, und vielleicht gibt es da noch mehr zu finden.«
»Aber habt ihr das Haus nicht bereits durchsucht?«
»Doch, aber es ist nicht sicher, daß wir dabei die richtigen Dinge bemerkt haben. Ich möchte einfach eine Sache testen. Komm jetzt.«
Patrik war bereits halb aus der Tür, so daß Erica sich die Jacke überwerfen und hinter ihm her rennen mußte.
Das Haus sah klein und heruntergekommen aus. Daß Leute es fertigbrachten, so zu wohnen, war ihr völlig unverständlich. Daß man ein so graues, tristes Dasein ertrug, so was - Ärmliches. Aber die Ordnung der Welt war nun mal so. Manche waren reich, und manche waren arm. Sie dankte ihrem glücklichen Stern, daß sie zur ersten Kategorie gehörte und nicht zur zweiten. Es hätte nicht zu ihr gepaßt, arm zu sein. Eine Frau wie sie war wie gemacht dafür, sich in Pelze und Diamanten zu kleiden.
Die Frau, die auf ihr Klopfen öffnete, hatte vermutlich noch nie einen echten Diamanten gesehen. Ihre ganze Erscheinung wirkte irgendwie graubraun. Mit Widerwillen betrachtete Nelly Veras fadenscheinige Strickjacke und die rauhen Hände, die die Jacke über der Brust zusammenhielten. Vera sagte kein Wort, stand nur stumm in der Türöffnung, und nachdem Nelly nervös um sich geblickt hatte, mußte sie schließlich sagen: »Nun, gedenkst du mich hineinzubitten, oder wollen wir hier den ganzen Tag stehenbleiben? Wir sind ja wohl beide nicht besonders daran interessiert, daß man sieht, wie ich dich besuche, oder?«
Vera sagte noch immer nichts, aber zog sich mit leicht eingezogenem Kopf in den Flur zurück, so daß Nelly näher treten konnte.
»Wir beide müssen reden, nicht wahr?« Nelly zog sich elegant die Handschuhe von den Fingern, die sie außer Haus stets trug, und sah sich angeekelt im Haus um. Flur, Wohnzimmer, Küche und ein kleines Schlafzimmer. Vera ging hinter ihr her, den Blick zu Boden gerichtet. Die Räume waren dunkel und öde. Die Tapeten hatten ihre besten Tage vor langer Zeit gesehen. Niemand hatte sich darum gekümmert, das Linoleum herauszureißen, um den Holzfußboden darunter sichtbar zu machen, wie es in den alten Häusern sonst meist geschehen war. Alles war jedoch blitzsauber und ordentlich. Kein Schmutz in den Ecken, nur diese deprimierende Hoffnungslosigkeit, die das Haus von oben bis unten prägte.
Nelly ließ sich vorsichtig auf den äußersten Rand des alten Ohrensessels im Wohnzimmer nieder. Als wäre sie es, die in diesem Haus wohnte, bedeutete sie Vera, sich aufs Sofa zu setzen. Vera gehorchte
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