Die Eisprinzessin schläft
erstenmal richtig angesehen wurde, bemerkte er, daß Anders’ Unterlippe zitterte und seine Augen voller Tränen standen.
»Das ist Lüge! Sie kann nicht schwanger gewesen sein!«
Ein Rotzfaden lief Anders aus der Nase, und er wischte ihn mit dem Ärmel weg. Er sah Mellberg fast bittend an.
»Wieso nicht? Gummis sind nicht hundertprozentig sicher, verstehst du. Sie war im dritten Monat, also zieh hier keine Show ab. Sie war schwanger, und du weißt sehr genau, wie das zugegangen ist. Ob du es dann gewesen bist oder der feine Gatte hier seinen Anteil hatte, ja, das kann man schließlich nie wissen, stimmt’s? Das ist der Fluch des Mannes, kann ich dir sagen. Bin selber ein paarmal fast reingelegt worden, aber kein verdammtes Weib hat es bisher geschafft, mich irgendein Papier unterschreiben zu lassen.« Mellberg lachte glucksend.
»Zwar geht das niemanden was an, aber wir haben über vier Monate keinen Sex gehabt. Jetzt will ich nicht mehr mit dir reden. Bring mich in die Zelle zurück, denn ich werde kein Wort mehr sagen!«
Anders schniefte erheblich, und die ganze Zeit drohten ihm Tränen aus den Augen zu quellen. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, verschränkte die Arme über der Brust und starrte Mellberg unter den Haarsträhnen hervor trotzig an. Der stieß einen schweren Seufzer aus, kam aber der Forderung nach.
»Na gut, wir machen in ein paar Stunden weiter. Und damit du es weißt - ich glaube kein bißchen von dem, was du da sagst! Denk nach, wenn du in der Zelle sitzt. Wenn wir das nächste Mai reden, will ich ein vollständiges Geständnis von dir.«
Er blieb einen Moment sitzen, nachdem Anders in die Zelle gebracht worden war. Der stinkende Säufer hatte nicht gestanden, und Mellberg konnte das überhaupt nicht fassen. Seine Trumpfkarte hatte er jedoch noch nicht ausgespielt. Das letzte Mal, daß jemand etwas von Alexandra Wijkner gehört hatte, war Viertel nach sieben am Freitag, dem fünfundzwanzigsten Januar, gewesen, genau eine Woche bevor sie tot aufgefunden worden war. Zu dem Zeitpunkt hatte sie laut Telefongesellschaft genau fünf Minuten und fünfzig Sekunden mit ihrer Mutter gesprochen. Das stimmte auch bestens mit dem Zeitrahmen überein, den der Gerichtsmediziner angegeben hatte. Dank der Nachbarin Dagmar Petren verfügte Mellberg über die Zeugenaussage, daß Anders Nilsson das Opfer nicht nur kurz vor sieben am Abend des besagten Freitags besucht hatte, sondern daß er auch gesehen worden war, als er in der darauffolgenden Woche mehrmals das Haus betreten hatte. Da lag Alexandra Wijkner bereits tot in der Badewanne.
Ein Geständnis hätte Mellbergs Arbeit bedeutend erleichtert, aber selbst wenn Anders starrsinnig bleiben sollte, war Mellberg doch davon überzeugt, daß er ihn überführen würde. Er hatte nicht nur die Zeugenaussage von Frau Petren, sondern auf seinem Tisch lag auch der Bericht von der Haussuchung bei Alexandra Wijkner. Am interessantesten waren die Angaben von der gründlichen Durchsuchung des Badezimmers, in dem man die Tote gefunden hatte. Nicht genug damit, daß in dem geronnenen Blut auf dem Boden ein Fußabdruck gesichert werden konnte, der zu einem Paar Schuhe paßte, die man in Anders’ Wohnung konfisziert hatte, sondern auf dem Körper des Opfers waren obendrein Anders’ Fingerabdrücke festgestellt worden. Zwar waren sie nicht so deutlich wie auf einer festen, glatten Fläche, aber dennoch klar zu identifizieren.
Er hatte heute nicht gleich alles Pulver verschießen wollen, aber bei der nächsten Vernehmung würde er die gesamte Artillerie in Stellung bringen. Dann sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn er den Kerl nicht kleinkriegte.
Zufrieden spuckte sich Mellberg in die Hände und glättete sich mit dem Speichel die Haare.
Das Klingeln störte sie mitten in der Übertragung des Gesprächs mit Henrik Wijkner. Erica nahm irritiert die Finger von den Tasten und griff nach dem Telefon.
»Ja?« Es klang ein wenig gereizter, als sie beabsichtigt hatte.
»Hallo, hier ist Patrik. Störe ich?«
Erica richtete sich kerzengerade auf und ärgerte sich, daß sie nicht freundlicher gewesen war. »Nein, absolut nicht, ich war nur gerade beim Schreiben und hatte mich so in die Sache vertieft, daß ich zusammengezuckt bin, als es geklingelt hat, und vielleicht wirkte ich da ein bißchen … aber du störst absolut nicht, es ist völlig okay, ich meine .« Sie griff sich an die Stirn, als sie sich wie eine Vierzehnjährige stammeln hörte. Es wurde
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