Die Eissphinx
eines Erdbebens. Doch ebenso wie er erkannten sie, daß, wenn die Schlucht jetzt durch Millionen Tonnen von Erde und gesprengtem Gestein angefüllt war, dieser Einsturz von Too-Wit und den Bewohnern von Tsalal künstlich herbeigeführt sein mochte. Wie Arthur Pym mußten auch sie der herrschenden Finsterniß, dem Luftmangel und der erstickenden Ausdünstung der feuchten Erdmassen schnellstens zu entfliehen suchen – »jetzt – wie es in Poe’s Buche heißt – wo sie sich jenseits der äußersten Grenzen jeder Hoffnung verbannt sahen und schon mehr in der Lage von Todten waren.«
Ganz wie in der linken Hügelhälfte fanden sich labyrinthartige Gänge auch in der rechten Hälfte, und sich längs der dunkeln Gänge hintastend, gelangten William Guy, Patterson und die Uebrigen nach einer Aushöhlung, zu der Luft und Licht reichlich Zutritt hatten.
Von hier aus beobachteten auch sie den Angriff von etwa sechzig Piroguen auf die Goëlette und deren Vertheidigung durch die sechs an Bord gebliebenen Leute, sahen, wie die Geschütze Vollkugeln und Kartätschgeschosse schleuderten, doch auch, wie die Wilden schließlich das Fahrzeug stürmten, und endlich die Explosion, die zwar gegen tausend Eingeborene tödtete, doch auch das Schiff selbst vollständig zerstörte.
Too-Wit und die Tsalalier waren zuerst über die Wirkungen der Explosion verblüfft, vielleicht dadurch aber noch mehr enttäuscht. Ihre Plünderungssucht fand nun keine Befriedigung, denn von dem Rumpfe, der Takelage und der Ladung waren nur noch ganz werthlose Trümmer übrig. Da die Wilden annehmen mußten, daß die andere Mannschaft durch den Einsturz des Hügels ebenfalls zugrunde gegangen sei, dachten sie gar nicht daran, daß einzelne davon die Katastrophe überlebt haben könnten. So kam es, daß Arthur Pym und Dirk Peters eines Theils, und William Guy mit den Uebrigen andern Theils unbelästigt im Grunde der Labyrinthe von Klock-Klock bleiben konnten, wo sie sich mit dem Fleische von Rohrdommeln, die sich leicht mit der Hand fangen ließen, und mit den Früchten zahlreicher Nußbüsche ernährten, die an Abhängen des Hügels standen. Feuer verschafften sie sich dadurch, daß sie Stücke von weichem Holze gegen solche von hartem – und an beiden Arten war kein Mangel – bis zur Entzündung der ersteren rieben.
Wenn es Arthur Pym und dem Mestizen nach siebentägiger Einschließung gelungen war, ihre Höhle – wie wir wissen – zu verlassen, nach dem Ufer zu gelangen, sich eines Bootes zu bemächtigen und von der Insel Tsalal zu entfliehen, so hatten William Guy und seine Leidensgefährten noch keine Gelegenheit gefunden, aus ihrem Versteck zu entkommen.
Nach Verlauf von etwa drei Wochen bemerkten der Kapitän der »Jane« und die Seinigen, die noch immer in dem Labyrinthe eingeschlossen waren, daß die Stunde herannahte, wo es ihnen an den Vögeln, die ihre Nahrung bildeten, fehlen würde. Um dem Hunger zu entgehen – vor dem Verdursten waren sie geschützt, da eine Quelle in der Höhle ihnen ausreichendes Trinkwasser lieferte – gab es nur das eine Mittel, bis zur Küste hinunter zu schleichen, sich in ein Boot der Eingebornen zu werfen und ins Meer hinaus zu steuern… Doch wohin sollten sich die Flüchtlinge wenden und was würde ohne Proviant aus ihnen werden?… Immerhin würden sie nicht gezögert haben, das Abenteuer zu wagen, wenn sie dazu einige Nachtstunden hätten benutzen können. Zu jener Zeit versank die Sonne aber noch nicht hinter dem Horizonte des vierundachtzigsten Breitengrades.
Wahrscheinlich hätte nun der Tod all dem Elend und Leiden ein baldiges Ziel gesetzt, wenn nicht ein Zwischenfall die ganze Lage plötzlich verändert hätte.
Eines Morgens – es war am 22. Februar – besprachen sich William Guy und Patterson, von Sorge verzehrt, an dem nach dem freien Lande zu liegenden Eingange ihrer Höhle. Sie wußten nicht mehr, wie die Bedürfnisse der sieben Personen zu befriedigen wären, nachdem Alle schon eine zeitlang auf den ausschließlichen Genuß von Haselnüssen angewiesen waren, was ihnen Kopf-und Leibschmerzen zuzog. Am Uferlande sahen sie zwar große Schildkröten hinkriechen, doch wie hätten sie den Versuch, solche einzufangen, wagen können, da am Strande mehrere hundert Tsalalier geschäftig hin und her liefen, die ihren gewohnten Ruf »Tekeli-li« ausstießen.
Plötzlich bemächtigte sich der ganzen Menschenmenge eine außerordentliche Erregung. Männer, Frauen und Kinder eilten nach allen Seiten hin
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