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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gleich geschliffenen Edelsteinen gebrochen zurückwarfen. Zuweilen schossen daraus röthliche Strahlenbündel hervor, deren Zustandekommen noch etwas unklar ist, dann wieder erschienen, jedenfalls infolge der Lichtbrechung, solche in violetter oder blauer Farbe.
    Ich konnte mich an dem in Arthur Pym’s Bericht so ausgezeichnet geschilderten Schauspiele gar nicht sattsehen – hier an den Pyramiden mit scharfen Spitzen, dort an den Domen mit Kuppeln, wie denen einer byzantinischen Kirche, oder mit seitlich aufgetriebener Kugelform, wie an russischen Kirchen, an den Dolmen (gallischen Felsengräbern) mit wagrechten Deckplatten, den Cromlechs (Steinkreisen) und den Menchirs (aufrecht stehenden Stein-, hier Eisplatten) wie auf dem Felde von Karnac, an den zerbrochenen Vasen, den umgekehrten Tassen – kurz an allen Gestalten, die ein phantasiereiches Auge zuweilen aus eigenthümlichen Wolkenbildungen zu erkennen liebt… Und sind die Wolken nicht thatsächlich die treibenden Schollen des Himmelsmeeres?
    Ich muß anerkennen, daß der Kapitän Len Guy mit vieler Kühnheit ebensoviel Klugheit verband. Nie fuhr er unter dem Winde vor einem Eisberge hin, wenn nicht Raum genug da war, um jedes beliebige, plötzlich angezeigte Segelmanöver ungehindert ausführen zu können. Vertraut mit allen Zufälligkeiten einer solchen Schifffahrt, zögerte er nie, auch mitten in das Gewirr von Schollen und Eisblöcken einzudringen.
    An jenem Tage sagte er zu mir:
    »Es ist nicht das erste Mal, Herr Jeorling, daß ich in das Polarmeer vorzudringen suche… leider bisher ohne Erfolg. Doch wenn ich das schon unternahm, als ich nur unbestimmte Vermuthungen über das Schicksal der »Jane« hatte, was sollte ich heute nicht wagen, wo jene Vermuthungen zur Gewißheit geworden sind?
    – Ich verstehe Sie, Herr Kapitän, und meiner Ansicht nach muß Ihre früher gewonnene Erfahrung auf diesen Gebieten unsere Aussichten auf Erfolg wesentlich vergrößern.
    – Gewiß, Herr Jeorling! Doch was jenseits des Packeises liegt, ist, wie so vielen andern Polarfahrern, auch mir noch unbekannt.
    – Unbekannt?… O, nicht gänzlich, Herr Kapitän, da wir die zuverlässigen Berichte Weddell’s und… nun ja… auch die Arthur Pym’s besitzen.
    – Ja… das weiß ich! Sie sprechen von einem offenen Meere…
    – Glauben Sie daran etwa nicht?
    – O, daran glaub’ ich natürlich. Es ist sicherlich vorhanden, dafür sprechen sehr gewichtige Gründe. Es liegt ja auf der Hand, daß die als Eisberge und Eisfelder bezeichneten Massen sich im freien Meere gar nicht bilden können. Nur eine gewaltige, unwiderstehliche Kraft, wie sie dem Wogenanprall innewohnt, vermochte sie von den Ländern oder Inseln der höchsten Breiten abzusprengen. Dann führten Strömungen sie nach etwas wärmerem Wasser, wo die Stöße der Wellen sie aufeinanderthürmen, während ihre Gipfel und Untertheile von der Luft und dem Wasser abgenagt werden.
    – Das erscheint mir sehr annehmbar, erwiderte ich.
    – Diese Massen, fuhr der Kapitän Len Guy fort, bilden sich also nicht erst im eigentlichen Packeis. Sie erreichen es nur im Abtreiben, zertrümmern es hier und da und brechen sich einen Weg hindurch. Man darf demnach die südliche Eiszone nicht nach der nördlichen beurtheilen. Die Verhältnisse beider decken sich nicht. Auch Cook berichtet, daß er in den grönländischen Meeren nie, selbst in den höchsten Breiten, etwas ähnliches wie die Eisberge des Antarktischen Meeres angetroffen habe.
    – Und woran mag das liegen? fragte ich.
    – Ohne Zweifel daran, daß in den nördlichen Polargebieten der Einfluß der Südwinde vorherrscht. Diese kommen dahin aber, nachdem sie sich an dem von Mittelamerika hinaufströmenden Wasser und an den erhitzten Landmassen von Europa und Asien nicht unbeträchtlich erwärmt haben. Hier aber wirken die nächstgelegenen Länder, das Cap der Guten Hoffnung, Patagonien und Tasmanien, nicht sonderlich auf die Luftströmungen ein, und deshalb bleibt die Temperatur in dem antarktischen Gebiete weit gleichmäßiger.
    – Das ist eine wichtige Beobachtung, Herr Kapitän, und sie rechtfertigt Ihre Anschauungen bezüglich eines offnen Meeres.
    – Ja… eines offnen… wenigstens etwa zehn Grade hinter der Packeisgrenze. Wenn wir erst diese überwunden haben, ist das Schwerste geschehen. Sie hatten ganz recht, zu sagen, Herr Jeorling, daß das Vorhandensein eines offenen Meeres von Weddell ausdrücklich anerkannt…
    – Und von Arthur Pym bestätigt wurde, Herr

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