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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gewesen… ich danke Dir!«
    Hunt gab keine Antwort.
    »Nun, Hunt, mischte sich der Kapitän Len Guy ein, hörst Du denn gar nichts?«
    Hunt schien thatsächlich nichts gehört zu haben.
    »Hunt, begann Martin Holt wieder, komm’ her… ich danke Dir… ich möchte Dir die Hand drücken.«
    Er streckte ihm damit die Hand entgegen.
    Hunt wich einige Schritte zurück und schüttelte den Kopf, wie ein Mann, der solche Complimente wegen einer so einfachen Sache nicht leiden mag.
    Dann begab er sich nach dem Vorderdeck und beschäftigte sich, eine der Schoten am Fockmaste zu ersetzen, die von einem so heftigen Stoße, daß die Goëlette vom Kiel bis zum Top der Masten erzitterte, zersprengt worden war.
    Offenbar gehörte dieser Hunt zu dem Schlage opferfreudiger, todesmuthiger Heldennaturen; offenbar auch war er von Charakter unzugänglich für alle Eindrücke, und heute war es noch nicht, wo der Hochbootsmann die »Farbe seiner Worte« kennen lernte.
    Die Gewalt des Sturmes ließ gar nicht nach und flößte uns noch wiederholt lebhafte Befürchtungen ein. Beim Wüthen desselben blickten wir oft nach den Masten, aus Angst, daß sie trotz der verminderten Segel brechen würden. Ja… hundertmal, und obgleich jetzt Hunt’s kräftige und geschickte Hand das Steuerruder regierte. Von dem unausweichlichen seitlichen Anprall der Wogen bedrängt, nahm die Goëlette so bedenkliche Neigungswinkel an, daß ein Kentern manchmal recht nahe lag. Das Marssegel mußte auch noch ganz eingezogen werden und wir sahen uns damit nur auf den Sturmfock und auf Klüversegel beschränkt.
    »Jem, begann der Kapitän Len Guy – es war zur Zeit fünf Uhr morgens – wir werden uns doch entschließen müssen, vor dem Sturm zu laufen.
    – Wenn Sie es wünschen, wird es geschehen, Kapitän, doch auf die Gefahr hin, vom Meere verschlungen zu werden!«
    In der That giebt es nichts Gewagteres, als den Wind von hinten abzufangen, wenn man nicht schneller als die Wogen selbst vorwärtskommt, und man entschließt sich dazu nur, wenn es unmöglich wird, dem Sturme Trotz zu bieten. Uebrigens hätte sich die »Halbrane«, wenn sie weiter nach Osten segelte, inmitten des Gewirrs dort angehäufter Eismassen von ihrem Curse entfernt.
    Drei Tage lang, am 6., 7. und 8. December, tobte der Sturm unablässig weiter, zuweilen begleitet von Schneeschauern, die die Temperatur merkbar herabsetzten. Es gelang aber, das Schiff gegen den Wind zu halten, nachdem das von einem besonders heftigen Windstoße zerrissene Klüversegel durch ein anderes, noch festeres ersetzt worden war.
    Wir brauchen kaum hervorzuheben, daß der Kapitän Len Guy sich als richtiger Seebär erwies, daß Jem West die Augen überall hatte, daß die Mannschaft ihn entschlossen unterstützte und Hunt stets der erste war, wo es galt, irgendwelche drohende Gefahr abzuwenden.
    Was von diesem Manne zu halten wäre, konnte sich niemand vorstellen. Zwischen ihm und den andern auf den Falklands angeheuerten Matrosen – vorzüglich dem Master-sealing Hearne – bestand ein ganz erstaunlicher Unterschied. Diese waren nur schwer zu etwas zu bewegen, was man von ihnen zu verlangen volles Recht hatte. Sie verweigerten freilich nicht den Gehorsam, denn wohl oder übel mußten sie sich einem Officier wie Jem West fügen. Hinter dessen Rücken wurden aber Klagen und Vorwürfe genug laut. Das schien – so fürchtete ich wenigstens – für die Zukunft nichts Gutes zu versprechen.
    Selbstverständlich hatte Martin Holt nicht gezögert, seine Arbeit wieder aufzunehmen, und er verrichtete sie auch ohne Murren. Sehr erfahren in seinem Berufe, war er der einzige, der sich an Eifer und Gewandtheit mit Hunt messen konnte.
    »Nun, Holt, fragte ich ihn eines Tages, als er mit dem Hochbootsmann im Gespräch begriffen war, wie stehen Sie sich denn jetzt mit dem Teufelsburschen, dem Hunt? – Hat er sich, seitdem er Sie gerettet, etwas mittheilsamer gezeigt?
    – Nein, Herr Jeorling, erwiderte der Segelwerksmaat, es scheint sogar, daß er mich zu meiden sacht….
    – Sie zu meiden? versetzte ich.
    – Wie er das übrigens schon vorher gethan hat…
    – Das ist doch auffällig…
    – Doch nicht minder wahr, mischte sich Hurliguerly ein. Ich hab’ es mehr als einmal beobachtet.
    – Er flieht Sie also wie die Andern, Holt?
    – Mich… noch mehr als die Andern.
    – Woher mag das kommen?
    – Das weiß ich nicht, Herr Jeorling.
    – Einerlei, Holt, Du bist ihm den größten Dank lehuldig, erklärte der Hochbootsmann.

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