Die Eissphinx
Versache aber nicht, ihn sichtbar abtragen zu wollen, er wendete Dir doch den Rücken.«
Der Mann schickte sich an, ein Greling auf eine Eisscholle zu bringen. (S. 183.)
Ich war erstaunt über das, was ich eben hörte. Jedenfalls konnte ich mich aber bei genauerer Aufmerksamkeit überzeugen, daß Hunt jeder Gelegenheit aus dem Wege ging, mit unserm Segelwerksmaat zusammenzutreffen. Ob er wohl keinen Anspruch auf dessen Erkenntlichkeit zu haben glaubte, obwohl er ihm das Leben gerettet hatte? Auf jeden Fall erschien das Benehmen des so verschlossenen Mannes mindestens auffällig….
Nach Mitternacht vom 8. zum 9. zeigte der Wind einige Neigung, nach Osten umzulaufen, was uns eine günstigere Witterung versprach.
Wenn das wirklich eintraf, konnte die »Halbrane« leicht wieder einbringen, was sie durch Abtrift verloren hatte, und konnte ihre Fahrt auf dem dreiundvierzigsten Meridian aufs neue fortsetzen.
Obgleich noch eine recht grobe See stand, wurde es gegen zwei Uhr morgens doch möglich, die Segelfläche ohne Gefahr zu vergrößern. Unter dem Bram-und dem zweigereesten Oberbramsegel, dem Gaffel-und einem Klüversegel näherte sich die »Halbrane« denn auch mit Backbord-Halsen dem Wege, von dem sie durch den Sturm abgedrängt worden war.
In diesem Theile des Antarktischen Meeres trieben nun Eisschollen in großer Zahl umher, und man konnte annehmen, daß der Sturm durch Beschleunigung des Eisganges im Osten auch die Grenze des Packeises gesprengt haben werde.
Dreizehntes Capitel.
Längs des Packeises.
Trotz der außerordentlichen Beunruhigung der Gewässer jenseits des Polarkreises war unsere Fahrt bisher doch noch ausnahmsweise günstig verlaufen. Welch ein Glück mußte es aber erst sein, wenn die »Halbrane« in der ersten Decemberhälfte gar den von Weddell eingehaltenen Weg ganz offen finden sollte!
Ich spreche hier von dem Wege Weddell’s, als ob es sich dabei um eine wohlgepflegte, mit den nöthigen Meilensteinen besetzte Landstraße handelte, wo auf einem Wegweiser zu lesen wäre: »Weg nach dem Südpole!«
Im Laufe des 10. konnte die Goëlette ohne Schwierigkeiten gegen die losen, einzeln treibenden Schollen aufkommen. Auch die Windrichtung nöthigte sie nicht zum Kreuzen, sondern gestattete ihr, auf gerader Linie durch das Treibeis zu segeln. Obgleich wir noch einen Monat von dem Zeitpunkte entfernt waren, wo der Aufbruch des Eises sich im Großen vollzieht, versicherte der Kapitän als Kenner der Verhältnisse doch, daß das, was gewöhnlich erst im Januar geschah, diesmal schon im December eintreten werde.
Die zahlreichen umherirrenden Massen zu vermeiden, setzte die Mannschaft nicht in Verlegenheit. Eigentliche Schwierigkeiten sollten wahrscheinlich erst an dem nahe bevorstehenden Tage auftauchen, wo die Goëlette versuchen würde, sich einen Weg durch das Packeis zu bahnen.
Ueberdies war hier keine Ueberraschung zu befürchten. Das Vorhandensein größerer Eismengen verrieth sich schon durch eine gelblichere Färbung der Atmosphäre, durch das, was die Walfänger als den »Blink« bezeichnen. Es ist nur eine den Polarzonen eigenthümliche Strahlungserscheinung, über die sich der Kenner niemals täuschen kann.
Die »Halbrane« segelte fünf fernere Tage ohne jede Beschädigung weiter und ohne auch nur einen Augenblick einen Zusammenstoß zu fürchten gehabt zu haben. Je weiter sie freilich nach Süden hinunter vordrang, desto zahlreicher wurden die Eisschollen und desto enger die Durchfahrt zwischen ihnen. Eine Beobachtung vom 14. ergab für unsere Lage 72°37’ der Breite, während die Länge sich unverändert zwischen dem zweiund dem dreiundvierzigsten Meridian hielt.
Das war schon ein Punkt, den nur wenige Seefahrer jenseits des Polarkreises zu erreichen vermocht hatten – weder Balleny noch Bellingshausen. Wir befanden uns jetzt nur noch zwei Grade weniger hoch, als James Weddell seiner Zeit gekommen war.
Inmitten der trüben, bleichen, von Vogelguano bedeckten Trümmer verlangte die Führung der Goëlette mehr und mehr Vorsicht. Einzelne Schollen sahen wirklich wie leprös aus. Wie winzig erschien ihrem schon beträchtlichen Rauminhalt gegenüber unser Fahrzeug, dessen Maste verschiedene Eisberge sogar noch überragten!
Zu der Verschiedenheit der Größe dieser Krystallmassen kam auch noch die ihrer Formen – eine unendliche Mannigfaltigkeit. Es brachte eine wahrhaft wunderbare Wirkung hervor, wenn die aus den Dunstmassen hervortretenden Blöcke die Sonnenstrahlen
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