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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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mit Goldrahmen, ihr rotes Lieblingskleid, Tonfiguren, die ihre Mutter aus dem Urlaub mitgebracht hatte, ihre Lesebrille, eine Perlenkette und verschiedene bunte Ringe, die sie in Madrid gekauft hatte.
    Ihr Vater musste ihr gefolgt sein, als sie die Treppe hochgegangen war. Zu spät für Erklärungen. In flagranti delicto. In den Flammen des Verbrechens, auf frischer Tat … Halt die Klappe, Alice.
    »Ich wollte etwas nachschauen«, sagte sie leise und gab sich Mühe, betreten zu wirken.
    »An diesem Schrank hast du nichts verloren. Oder muss ich jetzt schon im eigenen Haus die Türen vor meiner eigenen Tochter verschließen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt da ein Foto von Weihnachten … Ich wollte es mir ansehen.«
    »Was für eine Foto?«
    »Mama hat es an dem Tag gemacht, als es passierte.«
    »Du kannst das Foto haben«, sagte ihr Vater. Die Härte war aus seiner Stimme gewichen. »Nur wenn du mir versprichst, dass du nicht mehr an den Schrank gehst.«
    Man kann Dinge schwören, um sich nicht daran zu halten, wenn man die Finger hinter dem Rücken kreuzt. Das war blanker Unsinn. Abergläubischer Firlefanz. Für Alice waren Versprechen, an die man sich nicht halten musste, ganz einfach taktische Versprechen. Sie dienten einem höheren Ziel.
    »Hast du die Fotos eingeklebt, die Mama noch am Tag ihres …«
    »Unfalls«, ergänzte ihr Vater.
    »… gemacht hatte?«
    »Nein, das war Großvater.«
    »Aber du hast den Film entwickeln lassen?«
    »Ich habe den Film nicht entwickeln lassen.«
    »Wer war es dann?«
    Aus dem Badezimmer drang Amalias Stimme. Sie telefonierte und ließ das Radio dabei laufen. Störgeräusche. Dasselbe machte sie, wenn sie auf dem Klo war und Blähungen hatte.
    »Die Fotos steckten im Briefkasten.«
    »Und wer hat sie da reingesteckt?«
    »Jemand aus dem Dorf. Warum willst du das wissen?«
    »Jemand wirft einfach Fotos in den Briefkasten?«
    »Sie waren in einem Umschlag, ohne Absender.«
    »Kam dir das nicht seltsam vor?«
    »Jetzt fängst du schon wieder an, Alice. Es gibt keinen unbekannten Mörder. Mama starb an den Folgen eines Unfalls. Sieh das doch endlich ein.«
    Niemand interessierte sich dafür, warum jemand Bilder von der verschmierten Kirchenpforte gemacht hatte. Noch weniger interessierte es ihren Vater, wer die Fotos in den Briefkasten gesteckt hatte. Oder er wusste es und verschwieg es.

8.
    »Ich muss mit dir reden.«
    In die Gummizelle …
    Alice legte ihren Löffel beiseite. Nur ihr Großvater schlürfte weiter seine Suppe, als wäre er gar nicht im Raum. Vor demFenster sanken dicke Schneeflocken zu Boden, scheinbar ohne Widerstand. Auf dem Fensterbrett hatten sich über Nacht weiche Häufchen gebildet.
    »Weißt du, Mama fehlt mir genauso wie dir. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke.«
    Ihr Großvater schlürfte weiter seine Suppe.
    »Aber wir müssen uns mit ihrem Tod abfinden«, sagte ihr Vater, »auch wenn es schwer ist.«
    Damit findet man keine Mörder …
    »Es war ein tragischer Unfall, der uns deine Mutter weggenommen hat.«
    »Das war kein Unfall«, platzte Alice heraus.
    »Ich bin Polizist, glaub mir, ich hätte alles getan, um den Schuldigen zu bestrafen, wenn es einen gegeben hätte.«
    »Warum sagst du das?«
    »Weil du glaubst, dass ein böser Mann uns deine Mama weggenommen hat.«
    »Behandle mich nicht wie ein Kind.«
    Ihr Großvater grinste über seiner Suppe.
    »Du bist ein Kind«, erwiderte ihr Vater.
    »Ich bin elf.«
    »Und mit elf solltest du nicht Sachen lesen, die noch nicht für dein Alter bestimmt sind. Bücher über polizeiliche Spurensicherung, eine Studie über einen Serienmörder …«
    »Schließlich ist mein Vater Polizist«, erwiderte Alice.
    »Die Töchter von meinen Kollegen spielen mit Barbiepuppen und wünschen sich einen Gameboy. Noch keiner hat mir erzählt, dass ihre Töchter Bücher über Kriminalistik lesen.«
    »Gut, ab morgen wünsche ich mir einen Gameboy und lese Pferdebücher wie die anderen Mädchen in meiner Klasse. Wenn dich das beruhigt.«
    »Ich will dir helfen …«
    »Du willst mich ins Irrenhaus sperren.«
    »Wie kommst du denn auf die Idee?«
    Alice verdrehte ihre Augen, so dass nur noch das Weiße zu sehen war. »Weil ich verrückt bin …«
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie die Gänge der psychiatrischen Klinik in Kempten. Die Verrückten, die dort, mit Teddys ans Ohr gepresst, in den Gängen herumliefen, Irre, die sich für Cäsar oder Mao hielten, Selbstverstümmler, denen man Boxhandschuhe

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