Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
seinem Leben.«
Fürst Bolandor nickte. »Und blieb allerdings keine andere Möglichkeit, als die Verbindung mit den Ahnen wiederherzustellen und auf diese Weise unser Land zu sichern.
Dazu mussten wir magische Experimente durchführen, die teils mit erheblichen Gefahren verbunden waren – und die Zeitanomalien gehören zu den Folgeerscheinungen dieser Experimente. Wir lernten unsere Magie zu verbessern und mehr spirituelle Kraft aus dem Reservoir dieser Sphäre zu ziehen…«
»Und im gleichen Maß nahm die spirituelle Stärke unserer Magier und Schamanen ab«, glaubte Keandir zu erkennen.
Fürst Bolandor überlegte eine Weile, dann zuckte er mit den Schultern und sagte: »Ich bin mir nicht sicher, ob da wirklich ein Zusammenhang besteht. Und wenn es so ist, so war das ganz gewiss nicht unsere Absicht.«
»Natürlich nicht.«
»Jedenfalls gelang es uns schließlich, eine Verbindung zu den Eldran herzustellen. Und wir haben den Jenseitigen ein Angebot gemacht, das viele von ihnen gern angenommen haben.«
»Die Rückkehr in die Welt der Lebenden?«, fragte Keandir bestürzt und sah sich nach den Geisterkriegern um.
Fürst Bolandor lächelte mild. »Man könnte es fast so nennen.
Jedenfalls existieren sie jetzt wieder als handelnde Wesen in dieser Sphäre, und das schätzen sie offenbar sehr. Sie waren es wohl leid, nur angebetet zu werden und als eine Art Reservoir für Hilfszauberkräfte herzuhalten, als Wesenheiten angesehen zu werden, die man um guten Einfluss auf das Wetter bittet oder verflucht, wenn nicht eintritt, was man sich wünscht. Wir lernten, das Polyversum aus der Sicht der Eldran zu betrachten, und… kamen ihnen ein Stück entgegen – so könnte man es wohl umschreiben.«
Keandir besah sich einen der Eldran-Krieger. »Ich weiß nicht, ob ich in einer Welt als geisterhafte Gestalt existieren möchte, in der mich niemand zu verstehen vermag.«
»Oh, Ihr hattet Verständigungsschwierigkeiten?« Fürst Bolandor lächelte. »Das ist eine Sache der Gewöhnung. Zu Anfang haben wir, wenn sie redeten, auch kaum mehr als ein undeutliches Gemurmel vernommen, bis wir erkannten, dass es an uns lag, nicht an ihnen.«
»Gut zu wissen«, meinte König Keandir.
Zwei Tage blieben Keandir und sein Heer in Estanor. In dieser Zeit wurden ein Beistandspakt und ein Austausch von Botschaftern vereinbart. Danach brauchte Keandirs Trupp zwei Wochen, um die Grenze nach Wilderland zu erreichen. Diese Grenze war gut erkennbar, denn die urtümliche Vegetation von Wilderland hielt sich von Estorien ebenso fern wie die Flügelschlangen, die Mammuts oder die Herden von Riesenvögeln. Irgendwie schienen sie die besondere, vielleicht durch die Zeitdehnungen oder die in diesem Land angewandte Magie verursachte Aura Estoriens zu spüren und mieden instinktiv ihren Einfluss.
Während der Zeit, die Keandir und sein Heer durch estorisches Gebiet zogen, erblickten sie immer wieder einzelne elbische Siedlungen. Sehr selten waren es Siedlungen lebender Elben und viel öfter Siedlungen, die durch die geisterhaften Eldran bevölkert wurden.
»Kein Wunder, dass sich die Eldran nicht mehr beschwören ließen«, sagte Siranodir. »Zumindest jene nicht, die hier ihre neue Heimat gefunden haben.«
An der Grenze von Wilderland trennten sich die Halblinge von Keandirs Heer, um ihren Weg allein fortzusetzen – angesichts der Kürze ihrer Lebensspanne glaubte Keandir nicht, sie je wiederzusehen –, und die Zentauren verabschiedeten sich, als das Heer den Nor erreichte; Herzog Isidorn und sein Sohn Asagorn nahmen mit ihren Truppen dieselbe Furt, um zurück nach Nordbergen zu gelangen.
König Keandir allerdings zog es erst noch bis zur Küste östlich der Nor-Mündung an der Mannus-Bucht. Dort ließ er einen Teil seines Heeres zurück, um eine befestigte Siedlung zu gründen, die Norgua genannt werden sollte. Norgua würde die Residenz eines neuen Herzogtums bilden mit Namen Noram und sollte vor allem als Bollwerk gegen die Trorks dienen.
»Wir werden Rhagar anwerben, so wie man es in Elbara und Nuranien getan hat«, bestimmte Keandir und wollte Siranodir zum Herzog ernennen, doch dieser lehnte ab. Die Herzogswürde wäre für einen Mann, der fast seines Gehörsinns beraubt sei, eine zu große Bürde. So übertrug Keandir das Amt an Mirgamir, den Kommandanten seiner Leibwache.
Erst nach und nach wurde offenbar, dass während des kurzen Aufenthalts in Estorien eine ganze Jahrhunderthälfte vergangen war. Der Halbling Jay Kanjid
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