Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Keandirs Haar bereits in verhältnismäßig kurzer Zeit am Kopf klebte.
Hornsignale, Schreie und Kampflärm mischten sich mit dem Heulen des Windes und dem Tosen der See, dessen Brandung fast so wild wirkte wie am Strand von Elbenhaven.
»Haltet Euch gut fest – oder sprecht eine Zauberformel, die Euch Halt gibt, mein König!«, riet Isidorn. »Der Wind ist hier mitunter tückisch und kann vor allem sehr böig sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand, der sich vollkommen sicher fühlte, in die Tiefe gerissen wird.«
»Ich werde mich vorsehen«, erwiderte Keandir. Es störte ihn, im Moment nicht eingreifen zu können.
Fackeln wurden an mehreren Stellen der Stadt entzündet.
Keandir sah auch in der Ferne Fackeln auftauchen. Sie wirkten fast wie das Licht aufgehender Sterne. Die meisten waren auf der Ebene zu finden, einige wenige aber auch in den nahen Bergen.
»Das sind sie!«, sagte Herzog Isidorn grimmig. »So barbarisch sie sein mögen, den Umgang mit Feuer kennen diese zotteligen augenlosen Wilden!«
»Um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass sie nichts zu sehen vermögen und daher nicht auf Licht angewiesen sein dürften«, äußerte Keandir verwundert. »Aber es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, Feuer anzuwenden.«
»Es gab bereits mehrere Versuche, Turandir in Brand zu setzen«, berichtete Herzog Isidorn. »Die städtische Abteilung der Magiergilde verwendet feuerhemmende Schutzzauber, um das zu verhindern. Bisher haben die auch ganz gut funktioniert
– wie Ihr ja seht, steht die Stadt noch!«
»Wie hoch schätzt Ihr die Kraft der Magiergilde von Turandir ein?«, fragte Keandir.
Herzog Isidorn von Nordbergen äußerte sich in dieser Hinsicht alles andere als optimistisch. »Die spirituelle Kraft des Elbengeschlechts scheint überall im Schwinden begriffen, mein König – aber das wird ja nicht erst seit heute beklagt.«
»Seegeborene wie wir erkennen dies wohl«, entgegnete Keandir, »aber den Elbianitern fällt die grassierende magische Schwäche zumeist gar nicht auf.« Er wandte den Kopf und sah Isidorn an. »Worauf ich hinauswollte: Sind die Magier Turandirs noch in der Lage, durch Anwendung von Reboldirs Zauber Gesteinsbrocken auf den Feind niederregnen zu lassen?«
»So wie es während der Schlacht an der Aratanischen Mauer unter der Führung Eures Sohnes geschah?« Isidorn schüttelte das Haupt. »Mein König, zweihundert Magier und Schamanen standen dem Prinzen zur Verfügung, von denen jeder Einzelne über mehr geistige Kraft verfügte als der begabteste Magier oder Schamane heutzutage.«
»Nun, die Dimensionen waren damals an der Aratanischen Mauer auch andere«, gab Keandir zu bedenken. »Um Turandir zu verteidigen und die Horden daran zu hindern, auf breiter Front bis zu den Stadtmauern vorzudringen, wäre nur die Erschaffung eines Bruchteils der damals materialisierten Menge an Gestein vonnöten.«
Isidorn seufzte. »Da mögt Ihr recht haben. Aber es ist fünfzig Jahre her, seit sich die Magier von Turandir an der letzen Verteidigungsübung mit einer Anwendung von Reboldirs Zauber beteiligten und ein paar Steine vom Himmel regnen ließen. Kleine Brocken, so möchte ich betonen. Nichts, was einen zu allem entschlossenen Feind wirklich schrecken könnte.«
»Und was war seitdem? Nichts mehr?« Keandir war alles andere als begeistert davon, wie wenig es Herzog Isidorn offenbar geschafft hatte, seine Autorität durchzusetzen. Ein strenges Durchgreifen gegen die örtliche Abteilung der Magiergilde wäre durchaus angezeigt gewesen, wie er fand.
Aber vielleicht hatte es Gründe für Isidorns Zurückhaltung gegeben.
Der Herzog zögerte einen Moment, ehe er antwortete: »Die städtische Abteilung der Magiergilde hat sich schlichtweg geweigert, mein König.«
Der König hob die Augenbrauen. »Und Ihr habt nicht darauf bestanden, dass auch Magier und Schamanen ihren Beitrag zur Verteidigung der Stadt leisten?«
Isidorn schüttelte den Kopf. »Nein. Der Grund dafür ist einfach. So einfach wie der Grund für die Weigerung der Magiergilde, weitere Übungen durchzuführen. Sie ahnten ihre eigene Schwäche, und es wäre dann offenbar geworden, dass sie nicht mehr die nötige spirituelle Stärke haben, um uns wirksam helfen zu können. Ich wusste außerdem, dass die Gilde intern dieses Problem besprach und nach Lösungen suchte. Wenn ich die Magier dazu gezwungen hätte, etwas zu tun, was sie öffentlich blamiert und ihre Schwäche offenbart hätte, wäre damit niemandem
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