Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
deutlich wahrnehmbar. Und Keandir vernahm die charakteristischen stampfenden Tritte der Trorks. Es mussten Tausende sein, die über den weichen Waldboden stampften.
Noch war das Gros von ihnen meilenweit entfernt, aber sie kamen näher. Keandir ließ den Blick schweifen und sah, dass auch die anderen Elben sie hörten und nach und nach erwachten. Nur der Zentaur Sokranos vermochte ihre Schritte nicht zu hören. Noch nicht.
Offenbar wussten die Kreaturen genau, wo sich die Elben befanden, wurde Keandir klar. Jemand lenkte sie, führte sie zum Ziel. Oder verfügten die Trorks über so feine und weitreichende Sinne, dass sie vielleicht sogar denen der Elben ebenbürtig waren? Keandir gefiel dieser Gedanke ganz und gar nicht, aber er ließ sich nicht ignorieren.
Keandirs Hand umfasste den Knauf des
Schicksalsbezwingers. Die Trorks suchten offenbar die Entscheidung. Grenzenloser Hass, grenzenloser Wille zur Gewalt und noch etwas anderes trieb sie an. Furcht, dachte Keandir. Dieses Maß an Gewalttätigkeit, das auch bei dem überfallenen Grenzposten erkennbar geworden war, musste zum Gutteil auch aus Furcht und Angst erwachsen. Aber Angst wovor?
Einige Augenblicke lang lauschte er den Geräuschen, die immer deutlicher zu hören waren. Ein Klangteppich, der mehr und mehr anschwoll und schließlich von einem dumpfen, brummenden Singsang unterlegt wurde, mit dem sich die Trorks wohl selbst Mut machen wollten. Für einen Moment empfand Keandir paradoxerweise sogar Mitleid mit jenen augenlosen Geschöpfen, die sich anschickten, das Heer der Elben zu stellen und zu vernichten. Eine prompte Rache für die Niederlage, die man ihnen an den Mauern Turandirs beigebracht hatte.
»Mirgamir!«, rief Keandir den Kommandanten seiner Leibwache herbei, der seinen Lagerplatz bereits verlassen hatte. Es war ihm anzusehen, dass er noch nicht ganz wach war. »Lasst zum Kampf blasen!«, verlangte Keandir.
»Jawohl, mein König!«, antwortete Mirgamir, noch schlaftrunken.
Der Hornbläser der Leibgarde, dessen Name Eskidor lautete, wartete nicht erst ab, bis sein Kommandant den Befehl weitergab, sondern nahm das Horn an den Mund und schmetterte das entsprechende Signal, eine Tonfolge, die sogleich von anderen Hornbläsern aufgenommen wurde.
Innerhalb weniger Augenblicke wusste jeder der Elbenkrieger, was die Stunde geschlagen hatte. Wenn man König Keandirs Kämpfer und jenen Teil von Isidorns Heer zusammenzählte, der sie auf diesem Zug begleitete, kam man auf fast zweitausend Krieger. Sie alle griffen zu den Waffen und wappneten sich für den bevorstehenden Angriff eines zumindest zahlenmäßig übermächtigen Gegners. Pfeile wurden bereitgelegt und Armbrüste gespannt, sowohl die Einhandarmbrüste aus Thamandors Manufaktur mit ihren besonderen Giftbolzen als auch ganz konventionelle Modelle.
Dann starrten die Elben mit ihren empfindlichen Augen in die Dunkelheit des Waldes, schaudernd vor dem, was von dort auf sie zukam.
Thamandor, der bestbewaffnete Elb überhaupt, war als einer der Ersten vollständig gerüstet, seine Einhandarmbrüste geladen und gespannt. Es war nicht ratsam, sie in diesem Zustand zu belassen, wenn man sich zum Schlafen niederlegte, wollte man ungewollten erheblichen Schaden vermeiden.
Zuletzt nahm der Waffenmeister den Flammenspeer und überprüfte die Einstellungen der einzelnen Hebel an der zylinderförmigen Verdickung in der Mitte der Waffe. Den Sinn der einzelnen Handgriffe, die er vornahm, kannte nur er selbst und man konnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass er auch wenig Wert darauf legte, dass noch irgendjemand anderes damit vertraut wurde.
Aber da schritt Sokranos ein, als er sah, was Thamandor tat.
»Nein, edler Waffenmeister!«, rief er mit einer Entschiedenheit, die auch Keandir aufhorchen ließ. »Nicht den Flammenspeer!«
Thamandor blickte auf. Auf seiner glatten Stirn bildete sich die für ihn so charakteristische Falte. »Was ist, Botschafter Sokranos?«, wollte der Waffenmeister wissen. »Wollt Ihr mich daran hindern, unser aller Leben zu retten?«
Sokranos machte einen stark erregten Eindruck und brauchte einen Augenblick, um sich zu fassen. »Der Einsatz dieser Waffe kommt hier nicht in Frage!«, brachte er schließlich hervor.
»Aber weshalb nicht?«, fragte Thamandor verständnislos, der den Flammenspeer bereits schussbereit hatte. »Wie kann man gegen seine eigene Rettung vernünftige Einwände haben?«
»Ihr würdet Hunderte von Bäumen niederbrennen. Bäume, die unserem Volk
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