Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
heilig sind, Thamandor!«
Thamandor wies mit einer Hand ins dichte Unterholz, in dem bei Nacht selbst für Elbenaugen kaum etwas auszumachen war. »Dort nähern sich mindestens zehntausend Trorks! Eure Zentaurenohren vermögen ihre schleichenden Schritte nicht zu vernehmen, aber mir dröhnen sie im Gehör, als wollten mich diese Kreaturen in den Boden stampfen und zermalmen. Wie sollte ich da zögern, die Waffe einzusetzen, die als einzige Rettung verspricht gegen diese Bestien?«
»Sie sind uns zahlenmäßig mindestens fünf zu eins überlegen«, glaubte Hauptmann Rhiagon, der seine Einhandarmbrust spannte. »Wir werden ums nackte Überleben kämpfen!«
Siranodir mit den zwei Schwertern, der seine beiden Klingen
»Hauen« und »Stechen« gegeneinander wetzte, hatte ebenfalls wenig Verständnis für die Bedenken des Zentauren. »Auch ich spüre die Gefahr. Und ich bin ehrlich froh darüber, dass wir Thamandors Flammenspeer mit uns führen!«
»Und was ist mit den Seelen meiner Vorfahren?«, wandte Sokranos ein. »Was ist mit den Generationen von Zentauren, deren Leiber eins wurden mit diesem Waldboden und deren Seelen ins Holz der Bäume aufstiegen?«
»Wir werden nicht viel Zeit haben, über diese Frage zu beratschlagen«, sagte Thamandor. »Dieser Boden mag den Zentauren heilig sein, aber das Leben unserer Krieger hat Vorrang! Außerdem böte sich die Gelegenheit, die Trorks ein zweites Mal – und diesmal vielleicht endgültig – zu schlagen!«
»Ich persönlich kann Eure Sichtweise durchaus teilen, werter Thamandor«, erklärte Sokranos missmutig. »Aber ich glaube nicht, dass die Ältesten der Söhne Axanos’ oder irgendeines anderen Stammes es je verzeihen werden. In ihren Augen wäre es ein entsetzlicher Frevel!«
»Sie werden davon nicht erfahren, wenn Ihr es ihnen nicht berichtet«, mischte sich Siranodir wieder ein.
Sokranos verzog das Gesicht und schüttelte dann energisch den Kopf. »Oh, doch! Sie werden davon erfahren! Darauf könnt Ihr Euch verlassen. Selbst wenn ich ein Schweigegelübde ablegte – diese Nachricht wird sich verbreiten!«
»Niemand außer den Trorks und uns wäre Zeuge!«, wandte Thamandor ein.
»Die Seelen der Zentauren wären Zeugen!«, widersprach Sokranos. »Sie leben im Holz dieser Bäume, sind in den Blättern und in den jungen Trieben. Sie sehen Euch. Jetzt, in diesem Moment! Und sie sehen auch die Trorks. Und genauso, wie Ihr früher Verbindung mit den Eldran hattet, nehmen wir Zentauren hin und wieder Kontakt mit unseren Toten auf. Ihre Seelen werden es bezeugen, werter Thamandor, darauf verlasst Euch! Für uns Zentauren wird es vielleicht lange dauern, bis es sich herumgesprochen hat, aber für Euch Elben mit Eurem besonderen Zeitempfinden wäre es nur eine sehr kurze Spanne, und plötzlich würde kein Zentaur mehr Dienst an der Aratanischen Mauer tun und die Elben als seine Verbündeten ansehen.«
Sokranos wandte sich an den Elbenkönig. »Ich weiß nicht, ob Ihr das wirklich aufs Spiel setzen wollt, König Keandir. Auch angesichts der Tatsache, dass wohl zurzeit kaum ein Volk so sehr darauf angewiesen ist, Verbündete zu haben, wie das Eure. Wenn Ihr Thamandor erlaubt, den Flammenspeer einzusetzen, macht Ihr damit die Zentauren zu Euren Feinden!«
Keandir hatte bisher dazu geschwiegen, doch er wusste, dass die Entscheidung bei ihm lag, darauf hätte ihn Sokranos nicht extra hinweisen müssen. »Wir werden zunächst versuchen, den Angriff der Trorks mit unseren Einhandarmbrüsten und Bogenschützen abzuwehren«, bestimmte er nach kurzer Überlegung. »Fast hundert Schützen stehen unter dem Kommando von Hauptmann Rhiagon. Das magische Gift in den Bolzen ihrer Waffen müsste ausreichen, um die Trorks zurückzuwerfen, auch wenn sie uns zahlenmäßig überlegen sind.« Er wandte sich an Sokranos. »Oder habt Ihr auch dagegen etwas einzuwenden? Ihr seht, dass mir sehr viel an dem Bündnis mit den Zentauren gelegen ist. So viel, dass ich mein eigenes Leben in Gefahr bringe.«
»Auch davon wird man erfahren, König Keandir«, versprach Sokranos. »Aber wenn einer der Bolzen aus Euren speziellen Armbrüsten einen Stamm trifft und sein magische Gift freisetzt, wird der Baum trotzdem zerstört«, gab er zu bedenken.
»So werden die Schützen umso exakter zielen müssen«, mischte sich Rhiagon in den Disput ein.
»Und Ihr könnt versprechen, dass kein Baum getroffen wird?«, hakte Sokranos nach, und als er keine Antwort erhielt, fügte er hinzu: »Unbedenklich
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