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Die Elben - 02 - Die Könige der Elben

Die Elben - 02 - Die Könige der Elben

Titel: Die Elben - 02 - Die Könige der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Eónatorn der Kriegsheiler hatte darauf bestanden, dass er noch einen Verband trug und er die Wunde in den nächsten Tagen regelmäßig mit einer Heilpaste aus den Extrakten verschiedener Heilpflanzen bestrich.
    »Warum wundert Ihr Euch, mein König?«, sagte er, als er Keandirs Blick gewahrte. »Traut ihr mir etwa ein philosophisch angehauchtes Wort zur rechten Zeit nicht zu?«
    »Doch, schon – nur ist es das erste Mal, dass ich so etwas aus Eurem Mund höre, werter Siranodir.«
    »Ein Elbenleben ist lang genug, um alle paar Jahrhunderte auch mal etwas dazuzulernen oder vielleicht ein interessantes Buch zu lesen.«
    »Ich bin der Letzte, der Euch in dieser Hinsicht widersprechen würde!«, gab Keandir amüsiert zurück.
    Siranodir hob die Hände. »Gut, ich will ehrlich sein: Diese Worte stammen weder von mir, noch habe ich sie irgendwo gelesen.«
    »Sondern?«, hakte Keandir nach.
    »Sie stammen aus einer Schrift, die Euer Sohn Andir verfasst hat. Meine Tochter Sarámwen liest solche Texte mit großer Inbrunst und pflegt lange darüber nachzudenken – und manchmal zitiert sie daraus, um mich zu beeindrucken.«
    Keandir nickte. »So, Eure Tochter schwärmt also für meinen Sohn.«
    Siranodir hob mahnend den Zeigefinger. »Sie schwärmt für seine Schriften, mein König.«
    Keandir verkniff sich ein Lächeln; es wäre unangebracht gewesen an diesem Ort des Grauens und des Todes. Er gab den Befehl, die Toten nach Elbensitte zu bestatten. Dabei betonte er ausdrücklich, dass dies auch für die toten Trorks zu gelten habe.
    »Warum sollten wir uns um die Leichen von Geschöpfen kümmern, denen die Körper ihrer toten Gefährten offenbar vollkommen gleichgültig sind?«, ereiferte sich Isidorn. Es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr es ihm gegen den Strich ging, dass – nach allem, was sie den Elben angetan hatten – die Toten der Trorks genauso behandelt werden sollten wie die der Elben.
    »Weil mein Befehl nun einmal so lautet«, sagte Keandir in einem Tonfall, der klarmachte, dass er in der Frage keinen Widerspruch duldete. »Die Vergeltung endet mit dem Tod, werter Herzog von Nordbergen. Wir wissen nicht, woran diese Geschöpfe geglaubt haben und ob sie überhaupt eine Existenz nach dem Tode für möglich hielten. Aber der Respekt vor den Toten ist ein wesentlicher Bestandteil der elbischen Lebensart.
    Wir sollten sie nicht aufgeben, nur weil es Kreaturen gibt, die für ihr Leben andere Maßstäbe setzen. Ich jedenfalls bin nicht bereit, durch den Kampf gegen solche Barbaren selbst zum Barbaren zu werden. Ihr etwa?«
    Herzog Isidorn schwieg. Aber sein Blick ließ erkennen, dass der Elbenkönig ihn nicht überzeugt hatte.
    Keandir wandte sich an Mirgamir, den Befehlshaber seiner Leibgarde. »Lasst den Hornbläser sein Signal zum Himmel schicken. Wir haben zwar keinen Schamanen in unseren Reihen, aber eine Totenfeier, die diesen Namen auch verdient, werden wir wohl dennoch zustande bringen.«
    Die Totenzeremonie wurde mit großem Ernst abgehalten, auch wenn es einigen nicht gefiel, dass die Trorks miteinbezogen wurden. Die Gebräuche der Elben waren im Hinblick auf den Verbleib des Leichnams nicht einheitlich. Einige wenige Elben wie die legendäre Künstlerin Gorthráwen die Schwermütige oder der ehrenwerte Brass Elimbor hatten ihre Körper durch Magie mumifizieren und vor der Verwesung bewahren lassen.
    Auf See war es unter den Elben Sitte, die Toten in den Fluten zu versenken, während Tote an Land verbrannt wurden und man die Asche im Wind verstreute. So geschah es auch in diesem Fall, wobei niemand wusste, wohin die Seelen der Trorks gehen mochten, und angesichts der Grausamkeit, mit der sie vorgegangen waren, bezweifelte so mancher Elbenkrieger, dass sie überhaupt so etwas wie Seelen hatten.
    Der Zug des Elbenheers setzte seinen Weg anschließend fort.
    Man kampierte in der Nacht am Fuß der nordbergischen Höhenkette. Die Felswände ragten so schroff empor wie früher die Berge nahe der Stadt Turandir, bevor der Feuerspeer zum Einsatz gekommen war.
    In der Nacht wurde immer ein Viertel des Heers in Bereitschaft gehalten, um gegen einen eventuellen Überraschungsangriff gewappnet zu sein. Wie und durch welche Sinne sich die Trorks zu orientieren vermochten, wusste zwar niemand, aber klar war, dass sie nicht auf Licht angewiesen waren und daher in der finstersten Nacht ebenso kämpfen konnten wie am helllichten Tage.
    Doch alles blieb ruhig, und der Zug konnte seinen Weg am Morgen fortsetzen. Noch vor

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