Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
– hatte sich Herzog Isidorn in Thamandors Manufaktur dieses Schwert schmieden lassen. Es war aus dem gleichen Stahl wie der »Leichte Tod« des Waffenmeisters gefertigt und damit viel leichter als traditionelle Schwerter und besser zu führen.
Eine Jahrhunderthälfte lang hatte der »Wächter Nordbergens« in einem gläsernen Schrein gelegen, und es war keineswegs sicher gewesen, ob Isidorn sich je an die Klinge gewöhnen würde. Zunächst hatte er sogar bereut, den Auftrag zur Herstellung des Schwerts gegeben zu haben, und es war ihm als voreiliger Entschluss erschienen. Doch während eines Kampfes mit Rhagar-Piraten, die vermutlich aus dem Reich des Seekönigs von Ashkor und Terdos stammten und vor ein paar Jahrzehnten erstmalig die Küste Nordbergens erreichten, war ihm der »Seeteufel«, sein vorheriges Schwert, aus der Hand geschlagen worden und im Meer versunken. So hatte Isidorn im Verlauf der letzten Jahrhunderthälfte mit dem
»Wächter Nordbergens« geübt, schließlich hatte er die Vorzüge dieses neuen Schwertes erkannt, und inzwischen handhabte er die Waffe wie eine mit ihm verwachsene Verlängerung seines Arms.
Immer wieder sauste die Klinge durch die Luft und sandte Tod und Verderben unter die angreifenden Trorks.
Dutzendweise wurden sie erschlagen oder so schwer verletzt, dass sie nicht mehr kampffähig waren. Auch wenn häufig mehrere Hiebe notwendig waren, um einen von ihnen auszuschalten, so war es letztlich doch die pure Masse der Angreifer, die diesen Gegner so schwer zu bekämpfen machte.
Stundenlang zog sich der Kampf dahin, und Keandir erkannte, dass darin eine gewisse Zermürbungstaktik der Trorks lag. Sobald eine angreifende Horde zu sehr im Nahkampf dezimiert worden war, zogen sich die Überlebenden zurück in den Wald, um sich nach einer gewissen Weile neu zu formieren und mit neu anrückender Verstärkung einen weiteren Vorstoß zu unternehmen.
Auch im Morgengrauen wurde noch gekämpft, und Keandir hielt es inzwischen für illusorisch, dass es dem Trupp um Mirgamir und Sokranos gelingen konnte, in absehbarer Zeit genug Verstärkung durch zentaurische Verbände herbeizuschaffen, um die kämpfenden Elben spürbar zu entlasten. Die Zentauren hatten sich offenbar sehr viel weiter in die Tiefen des Waldes zurückgezogen als gedacht.
Es stand sogar zu vermuten, dass die ausgesandte Gruppe längst von den Trorks abgefangen und niedergemacht worden war.
Die ersten Strahlen der Morgensonne durchschnitten den aus den Wäldern aufsteigenden Frühdunst und riefen ein zauberhaftes Lichtspiel hervor, das in einem krassen Gegensatz zu dem tödlichen Geschehen am Fuße der nordbergischen Höhenkette stand.
Keandir überlegte schon, ob er seine Zusage, den heiligen Wald der Zentauren zu schonen, vielleicht doch noch einmal überdenken musste. Die allmählich voranschreitende Vernichtung des gesamten Elbenheers, mit dem der König von Elbiana und der Herzog von Nordbergen aufmarschiert waren, wäre ein zu hoher Preis für die Totenruhe der zentaurischen Vorfahren gewesen.
Der König hatte sich mit einigen wuchtigen Schwerthieben etwas freigekämpft. Das Trork-Blut troff von der ehemals geborstenen Klinge Schicksalsbezwingers. Das Gesicht des Königs war zur grimmigen Maske erstarrt.
Den unmittelbar an seiner Seite kämpfenden Elbenkriegern war es gelungen, die auf ihrem Abschnitt angreifende Trork-Horde ein ganzes Stück zurückzutreiben. Aber sie wussten, dass dies nur ein vorübergehender Erfolg war. Die Trorks würden sich erneut sammeln, ihre Reihen mit frischen Kämpfern auffüllen und wieder angreifen.
Keandir fasste den Griff Schicksalsbezwingers mit beiden Händen. »Eskidor!«, rief er den Namen eines der zum elbischen Heer gehörenden Hornbläsers.
»Hier bin ich, Herr!«, kam die Antwort mit heiserer Stimme zurück.
»Gebt das Signal zum Einsatz der Einhandarmbrüste! So leid es mir für Sokranos’ Ahnen tut, wir haben keine andere Wahl!«
»Jawohl, mein König!«
»Wo ist Thamandor?« Keandir brüllte die Worte geradezu heraus, sodass sich mancher seiner Mitstreiter unwillkürlich nach ihm umsah. So energisch hatte man den Elbenkönig seit mindestens anderthalb Jahrhunderten nicht mehr erlebt. Um genau zu sein, seit der Schlacht an der Aratanischen Mauer nicht mehr.
Siranodir und Isidorn wechselten einen kurzen Blick. Ein Blick, der nichts anderes als ein Zeichen der Anerkennung war. Vielleicht hatte der König der Elben die Phase der Agonie und Entscheidungsscheu, die ihm
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