Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
schneebedeckten Gipfeln Hoch-Elbianas, und das einzigartige Spiel der Farben setzte ein, das an jedem Morgen anders war. Die Riesenfledertiere, welche die Manufaktur auf dem Elbenturm umkreisten, waren dadurch besser zu sehen. Die triumphierend geschwungenen brennenden Fackeln der Katzenwesen in ihren Körben leuchteten noch in großer Entfernung wie flackernde Morgensterne.
Schließlich versuchten die Katzenkrieger auf den sich nähernden Riesenfledertieren nur noch, ihre Fackeln so abzuwerfen, dass sie auf dem Turm landeten, sodass dort die Flammenwesen entstanden und den Kampf gegen die Elben aufnahmen. Aber zumeist gelang ihnen dies nicht, denn Uéndorns Pfeilbeschuss und die Bolzen aus den Einhandarmbrüsten hielten die Fiedertiere entweder auf Distanz, oder Elbenkrieger wehrten die geschleuderten Fackeln mit Schwertstreichen ab, sodass sie in die Tiefe fielen. Wenn sie dann gegen die Felsen schlugen, lösten sich die Flammenwesen doch noch von den Fackeln und kletterten die Steilwände empor, aber keiner dieser Feuerdämonen existierte lange genug, um es bis auf den Turm zu schaffen.
Schließlich gelang es dem König und seinen Kampfgefährten sogar, den Hauptturm von Katzenkriegern und Flammendämonen gänzlich zu säubern. Keandir hielt den Griff Schicksalsbezwingers mit beiden Händen. Die Klinge glühte noch, und die Stelle, an der das Schwert einst während des Kampfes mit dem Furchtbringer geborsten war, wirkte wie eine grellweiße Markierung aus gleißendem Sonnenlicht.
Keandir atmete tief durch. Die Kraft, die aus den Feuerdämonen in ihn übergegangen war, verflüchtigte sich allmählich wieder. Eine Empfindung, die für Keandir durchaus zwiespältig war. Es war wie ein unstillbarer Hunger gewesen, den er verspürt hatte, ein Hunger nach der Kraft der Flammenwesen, von der er einfach nicht genug hatte kriegen können. Ihm wurde klar, dass er zeitweilig vollkommen die Kontrolle über sich verloren hatte, dass er ein völlig anderer gewesen war.
War es das, wovor er sich immer insgeheim gefürchtet hatte?
Dass die Kräfte, die in ihm schlummerten, sich ihren Weg bahnten wie ein mächtiger Fluss, der sein angestammtes Bett verließ, alle Deiche und Dämme durchbrach und den nichts mehr aufzuhalten vermochte? Er hatte sich immer dagegen gewehrt, zum Spielball magischer Mächte zu werden, gleichgültig ob es sich dabei um Mächte der Finsternis handelte oder um solche des Lichts.
Langsam nur beruhigte sich seine Seele, ordnete sich die Flut der Gedanken, die den Elbenkönig beherrschten. Bündele deine Kraft, oder sie ist vergeudet! Ein altes Axiom des Schamanenordens; sein Seelenmeister Maéndir hatte ihm das einst während seiner Ausbildung eingeschärft – damals, während der großen Seereise der Elbenheit. Unvorstellbar lang war dies inzwischen her, jedenfalls nach Keandirs Empfinden.
So lange, dass es ihm manchmal schon wie die Erinnerung an einen verblassenden Traum erschien und er zu begreifen begann, was die uralten, in Athranor geborenen Elben damit meinten, wenn sie sagten, wie schwer es sei, die Vergangenheit festzuhalten. Sie begann irgendwann einfach zu zerrinnen und sich aufzulösen, und die Betreffenden erzählten sich selbst Geschichten über lange zurückliegende Taten, die zwar noch einen Kern Wahrheit hatten, aber ansonsten mehr dem eigenen Wunschdenken und der Fantasie entsprangen, als dass sie ein exaktes Bild damaliger Begebenheiten und Geschehnisse lieferten. Das war wohl das Schicksal aller, die eine so lange Lebenspanne hatten, wie sie den Elben nun einmal eigen war.
Aber in diesen Momenten standen König Keandir diese Erinnerungen wieder so deutlich vor Augen wie seit den Tagen nicht mehr, da die Elben die Küste des Zwischenlandes Ethranor erreicht und unter seiner Führung die Stadt Elbenhaven und das Reich Elbiana gegründet hatten.
Eine kurze Kampfpause war eingetreten, ein paar Momente des Verschnaufens. Sandrilas trat auf Keandir zu und fragte:
»Seid Ihr wieder bei Sinnen, mein König?«
Sein Tonfall klang so hart und glasklar, dass er Keandir an klirrendes Eis erinnerte. Er drehte den Kopf. Alle unterbrachen ihre momentane Tätigkeit und blickten in seine Richtung: Thamandor, der durch irgendwelche Schaltungen an seinem Flammenspeer versucht hatte, der Waffe doch noch den ein oder anderen Schuss abzuringen; Uéndorn der Starke, der einigen erschlagenen Katzenkriegern die Pfeile aus dem Körper gezogen hatte, um sie noch einmal verwenden zu können; Shorindorn
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