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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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zurückkehren, wo man ihn auf Schritt und Tritt beargwöhnte. Er wollte der Herrscher über all diese Menschen werden, die von Rom gequält und gedemütigt worden waren, sein Reich sollte aus ebenso vielen verschiedenen Völkerstämmen bestehen wie jetzt sein Heer.
     
     
Der Tempel am Meer
     
    Bei Anbruch des Winters schickte Hannibal seine iberischen Söldner auf Heimaturlaub mit dem Befehl, sich im Frühjahr wieder in Neu-Karthago einzustellen, und begab sich nach Cadiz, um dem Gott Melkart ein Opfer darzubringen und sich mit seinem Bruder Magon zu treffen. 
    Gewaltige Wogen brandeten gegen den Felsen, auf dem Melkarts Tempel stand. Sie zerschellten krachend, rollten aber hartnäckig immer wieder aufs neue heran, wie wilde Krieger, die von einem unsichtbaren Feldherrn in Angriff und Tod geschickt und zu Wasserstaub verwandelt werden.

    Doch immer neue Krieger mit gewölbten Schilden und spitzen Speeren nehmen ihre Plätze ein.
    Das majestätische Schauspiel machte Hannibal nachdenklich. Er schmeckte das Salz des Wasserstaubs auf den Lippen, wie einst die Tränen der Mutter, die auf sein Gesicht gefallen waren. Überall ist Kampf! grübelte er. Das Meer kämpft gegen das Ufer, das Ufer gegen den Wind, ein Völkerstamm gegen den anderen. Und was bin ich in diesem Kampf? Ein mächtiger Feldherr oder ein Werkzeug in den Händen noch mächtigerer Gewalten? Bin ich Herr über den Krieg, der vor meiner Geburt begann und mich überdauern wird?
    Er zog seinen Dolch aus der Scheide und schleuderte ihn ins Meer. 
    Schon seit nahezu tausend Jahren brachten die Gläubigen auf diesem Felsen dem Meere ihre Opfer dar. Die phönizischen und karthagischen Kaufleute warfen Silberbarren und Goldmünzen, Bernstein und kostbare Fingerringe in die Fluten, wenn sie von Melkart guten Wind und reichen Gewinn erflehen wollten. Und der Mann, der nun auf dem Felsen stand, warf seine Waffe ins Meer, um Kampfesdurst zu erhalten. 
    Dann ging er zum Hause des Stadtältesten, wo Magon auf ihn wartete. Aufmerksam lauschte er dem Bericht des Bruders über die Sitzung im Großen Rat, auf der Hanno und seine Anhänger eine Niederlage erlitten hatten. Zuletzt hatte der römische Abgesandte gerufen: „Karthager! Hier bringe ich euch Krieg oder Frieden, wählt!" Und auf die einmütige Antwort: „Wähle selbst!", hatte er den Krieg gewählt. 
    Magon berichtete außerdem von einer neuen Schar Kriegselefanten, die Richad dressiert hatte und jetzt persönlich nach Iberien bringen wollte. 
    „Und was ist mit Gula?" fragte Hannibal. „Erfüllt er meine Bitte?" 
    „Gula versprach, dir eintausendfünfhundert Reiter zu senden. Aber sein Sohn Masinissa wird nicht dabeisein, denn der ist verschwunden."
    „Verschwunden? Weshalb?" fragte Hannibal erstaunt. 
    „Weil sich sein Vater weigerte, ihn bei seiner Werbung um Sophonisbe zu unterstützen. Dann fragte Gula noch, wozu du Masinissa brauchst, da du doch Sagunt eingenommen hättest."
    „Sagunt war erst der Anfang. Aus Sagunt führt der Weg nach Rom." 
    „Nach Rom?" rief Magon. „Aber du vergißt den langen Marsch und die vielen Völkerstämme, die sich uns in den Weg stellen werden!" 
    „Nein, das habe ich bedacht."
    „Und wie willst du deine Krieger im Feindesland verpflegen?" 
    „Und wenn ich Stiefelleder lutschen müßte, wir ziehen nach Rom!" 

Der Sprung
     
     
Auf dem Wege zur Rhône
     
    Hannibals Elefanten schreiten voran. Die Gefechtskörbe auf ihren Rücken schwanken wie Schiffe auf dem Meer. Die Söldner stehen am Straßenrand und lassen sie an sich vorüberziehen. Nur wenige von den vielen tausend Iberern, Galliern und Balearern haben schon früher einen Elefanten zu Gesicht bekommen, und es graut ihnen vor diesen Giganten, die so anders aussehen als die Tiere ihrer heimatlichen Wälder und Berge. Die Beine, die den Umfang von jahrhundertealten Eichen haben, verraten eine gewaltige Kraft. Und diese Kraft wird vom Feldherrn Hannibal gelenkt. Er versteht anscheinend nicht nur alle Sprachen der Erde, er besitzt auch Zauberkräfte, die ihn zum Gebieter dieser seltsamen Tiere machen. Auf einen Wink von ihm setzen sie sich in Bewegung und zertrampeln jeden, der es wagt, sich den Karthagern in den Weg zu stellen.
    Hannibals Elefanten schreiten voran. Unter ihren Tritten dröhnt und stöhnt die Erde. Aus ihrem Gang sprechen der unbeugsame Wille des Feldherrn und die Unausweichlichkeit seiner Rache. Rom muß vernichtet werden! Rom wird von den karthagischen Elefanten zertreten werden.

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