Die Elefanten Hannibals
Viele Tagesmärsche trennen Hannibals Heer noch von Italien. Unzählige Hindernisse - Flüsse, Schluchten, schneebedeckte Berge, kriegerische Völkerstämme - erwarten ihn. Hatten aber diese Elefanten weniger Hindernisse zu überwinden, bevor sie nach Iberien kamen? Um gehorsame Werkzeuge des menschlichen Willens zu werden, mußten sie durch die harte Schule Richads gehen, des Mannes, der so viel wert ist wie ein ganzes Heer. Er vollbrachte das, was keinem anderen gelang. Er zähmte die wilden afrikanischen Elefanten, die man für unzähmbar gehalten hatte.
Rom soll vernichtet werden. Das ist das Ziel des Feldzuges, das einstweilen nur Hannibals nächste Vertraute kennen. Für die übrigen ist der Marsch nach Norden in Richtung der Pyrenäen nichts als eine Eroberung iberischer Gebiete, die die Karthager bisher noch nicht besetzt hatten.
Hannibals Elefanten schreiten voran. Staubwolken wirbeln unter ihren Schritten empor und legen sich auf Pferde, Reiter und Fußsoldaten. Das blühende Tal des Ebro bleibt hinter ihnen zurück. Bei der Hafenstadt Emporium, einer ehemals griechischen Kolonie, deren weiße Häuser traubenförmig am Uferhang kleben, nehmen die Karthager Abschied vom Meer. Sie werfen Haarbüschel ins Wasser und flüstern Beschwörungen. Sie sammeln am Strand feucht glänzende Kiesel, stecken sie in Beutel und hängen sie sich um den Hals oder an den Gürtel.
Dann steigt das Heer in die Berge hinauf. Es stößt auf verlassene Dörfer. Die hier lebenden iberischen Stämme haben ihre Viehherden eilig aus der Reichweite des Heeres fortgetrieben, das gefräßig ist wie ein Heuschreckenschwarm.
Hannibals Elefanten schreiten voran. Die Bergkette der Pyrenäen -Iberiens Grenze - erscheint am Horizont. Jetzt wird allen klar, daß Hannibal etwas Größeres plant als die Eroberung ganz Iberiens. Dreitausend Iberer mit Alorkes an der Spitze weigern sich, ihre Heimat zu verlassen. Hannibal könnte sie umzingeln und von den Elefanten zertrampeln lassen. Aber er tut es nicht. Er weiß, daß sich dann ganz Iberien gegen Karthago erheben würde, und es ist fraglich, ob sein Bruder Hasdrubal, dem er nur zwanzigtausend Kavalleristen, Infanteristen und Marinesoldaten zurückgelassen hat, mit einem Aufstand fertig werden würde. Nach einiger Überlegung gestattet Hannibal sogar allen, die den gefährlichen Feldzug nicht mitmachen wollen, in Iberien zu bleiben. Das sind insgesamt elftausend Mann. Durch diese Maßnahme entledigt er sich gleichzeitig der feigen, unzuverlässigen Krieger, die ihm später nur zur Last fallen würden. Weitere zehntausend Mann beläßt er in dem neu eroberten Gebiet zwischen dem Ebro und den Pyrenäen. Er hat nicht die Absicht, auf die eroberten iberischen Landstriche zu verzichten. Er weiß auch, daß er ein zuverlässiges Hinterland braucht, das durch ein starkes Heer abgesichert ist.
Mühelos überquert Hannibal die Pyrenäen. Zu dieser Jahreszeit liegt kein Schnee auf den Gebirgspässen, und die Berge sind ungefährlich. Er führt fünfzigtausend Fußsoldaten und zehntausend Reiter mit sich. Die aus dicken, in die Erde gerammten Balken bestehenden Häuser mit den spitzen Strohdächern unterscheiden sich nicht von denen, die jenseits der Pyrenäen stehen. Aber Hannibal weiß, daß nun das gewaltige Land beginnt, das von zahlreichen gallischen Stämmen besiedelt ist. Den karthagischen Kaufleuten ist es bisher nicht gelungen, in die Tiefe dieses Gebietes vorzudringen. Sie wagen nicht, sich weit von ihren Schiffen zu entfernen, sie besuchen nur die Niederlassungen am Mittelmeer und am Ozean - der Westküste Galliens. Alles, was Hannibal über Gallien weiß, hat er aus alten Chroniken und aus den Berichten seiner Söldner erfahren.
An den südlichen Ufern Galliens lagen früher phönizische Kolonien, gegründet von unternehmungslustigen Kauffahrern, die auch die ersten Häuser Karthagos bauten. Zu Hannibals Zeit sind diese Landstriche aber wieder von freien Völkerstämmen besiedelt; die griechische Kolonie Marseille bildet die einzige Ausnahme. Die Marseiller sind Verbündete der Römer, und weil Hannibal ihnen seine Pläne nicht preisgeben will, zieht er es vor, sich nördlich von Marseille zu halten.
Der erste Ort, in den sie nach dem Abstieg von den Pyrenäen kommen, ist Illiberis. Zu ihrer Verwunderung hören sie weder Hühner gackern noch Schafe blöken - die übliche Beute hungriger Soldaten. Der Ort wurde von seinen Bewohnern verlassen, ein eindeutiges Zeichen dafür, daß die hier
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