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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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beide Male erlitten sie schwere Niederlagen. Trotzdem wichen sie einer dritten Schlacht nicht aus, und diese entschied dann den Ausgang des Krieges zu ihren Gunsten. 
    Bei einer späteren Gelegenheit legte Publius seinem Vater diese Zweifel dar.
    „Häufig lassen sich die Menschen von ihrem Ehrgeiz leiten", erwiderte der Konsul seufzend. „Sempronius findet den dritten Konsul höchst unwichtig, obgleich er Rom bestimmt den Sieg bringen wird. Sempronius denkt nur daran, daß die Konsulwahlen vor der Tür stehen und daß der Siegesruhm einem anderen zufallen würde, wenn er nicht wiedergewählt wird. Das fürchtet er, und aus diesem Grunde will er unbedingt eine Schlacht schlagen. Was für entsetzlichen Schaden kann ein einziger unvernünftiger Mensch doch der Republik zufügen, wenn ihm die höchste Macht übertragen ist!" 
    Wenige Jahre später sollten alle Römer, auch der junge Publius, begreifen, daß es im Kampf gegen einen Gegner wie Hannibal tatsächlich keinen besseren Verbündeten gab als die Zeit. Doch einstweilen wirkte Vorsicht noch wie Feigheit und Unvernunft wie Tapferkeit. Der ehrgeizige Sempronius bauschte seinen unbedeutenden Erfolg dermaßen auf, daß er in Rom als echter Sieg betrachtet wurde. Obendrein ließ er durch seine Anhänger in der Stadt das Gerücht verbreiten, Konsul Scipio wolle deshalb keine Schlacht, weil er wegen seiner Verwundung nicht daran teilnehmen könne und zu verhindern trachte, daß Sempronius den Siegeslorbeer gewinne.
    Dieses Gerücht drang auch ins Feldlager, und wiederholt hörte der junge Publius, daß die Legionäre spöttische Bemerkungen über seinen Vater machten.
    Hannibal kannte die Stimmung der römischen Legionäre genau, und er freute sich, daß sich alles so entwickelte, wie er es geplant hatte. Magarbal, der Kommandeur der numidischen Reiterei, erhielt eine Belohnung dafür, daß er die Fluchtszene so meisterhaft ins Werk gesetzt hatte. Auch seine Reiter, die befehlsgemäß die Flüchtlinge gespielt hatten, wurden nicht vergessen.
    „Ich hätte nie gedacht, daß du uns für einen Rückzug auch belohnen würdest!" sagte Magarbal.
    Hannibal lachte. Er erklärte Magarbal nicht, wie erfreulich es für ihn war, daß er in den unerfahrenen und schlecht ausgebildeten römischen Legionären Siegeshoffnungen geweckt hatte. Fast die Hälfte seines eigenen Heeres bestand aus Galliern, um deren Stimmung er sich einstweilen noch keine Sorge zu machen brauchte. Da die Römer vor Überheblichkeit geradezu blind waren, da der Konsul Sempronius überdies eine erstaunliche Beschränktheit an den Tag legte und der viel scharfsinnigere Konsul Scipio wegen seiner Verwundung das Bett hüten mußte, hatte Hannibal in der Wahl von Tag und Ort der künftigen Schlacht völlig freie Hand.
    Mit erfahrenen Augen nahm er jeden Vorteil wahr, die ihm die zwischen seinem Lager und dem der Römer befindliche Tiefebene bot. Sie wurde durchschnitten von der Trebia, einem kleinen Fluß, dessen abschüssige Ufer mit Dornensträuchern bewachsen waren. Hannibal wußte, daß die Römer um jedes Waldstück einen Bogen schlugen, weil sich die italischen Gallier dort häufig in den Hinterhalt legten. Doch die strauchbewachsenen Flußufer würden bestimmt nicht ihren Argwohn erregen. 
    „Sieh her!" sagte er zu Magon. „In diesem Dornengebüsch verbirgst du dich mit tausend Fußsoldaten und ebenso vielen Reitern. Vergiß nicht, ihnen zu befehlen, daß sie die blitzenden Rüstungen und Helme ausziehen und auf den Boden legen sollen." 
    „Kann ich gehen?" fragte Magon. 
    „Ja!" Hannibal nickte. „Nein, warte noch!" rief er dann. 
    Magon blieb stehen. Nichts verriet einem Außenstehenden, daß Hannibal und Magon nicht bloß Feldherr und Untergebener, sondern auch Brüder waren, im Gegenteil - in der Öffentlichkeit behandelte Hannibal seinen Bruder bewußt kühl. Jetzt aber klang seine Stimme überraschend zärtlich.
    „Paß gut auf dich auf, Magon. Wir haben noch viele Schlachten vor uns. Stürz dich nicht als erster in den Kampf. Du bist kein Krieger wie jeder andere. Denke daran, was uns der Vater lehrte." 
    Magon hob den Kopf. Tränen standen ihm in den Augen. Was hatte sie hervorgerufen? Die Erinnerung an den Vater und die ferne Kindheit oder Hannibals überraschende Freundlichkeit?
    „Geh und ruh dich aus", murmelte Hannibal. „Auch deine Krieger sollen sich noch ein Stündchen aufs Ohr legen." Er wurde wieder sachlich. „In der Nacht beziehst du die Stellung.

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