Die Elefanten Hannibals
Kleidung und Schuhwerk waren verschlissen, die Pferde lahmten.
„Diese gerade, glatte Straße ist nichts für uns", sagte Hannibal. „Wir müssen einen anderen Weg nach Rom finden."
Nach einigen Stunden weiteren Marsches erblickte das Heer vor sich eine sonnenflimmernde Wasserfläche, die am Horizont mit dem Himmel verschmolz und mit Segeln wie mit Blüten besetzt war. Das Meer! Zum erstenmal nach den monatelangen Märschen durch Gebirge und Wälder hatten die Karthager wieder ihr vertrautes Element vor sich. Das Meer war von allen Seiten ihrer großen Heimatstadt zu sehen, und jetzt schien es seine Kinder mit ausgebreiteten Armen zu empfangen. Das Meer war Karthagos Mutter, und die Flotte war seine Wiege. Deshalb nannten sich auch Hannibals Vorfahren Nomaden der Meere. Mit ihren hochbordigen Segelschiffen bezwangen sie die Stürme, die - verblüfft über die Zähigkeit der Seefahrer - vor ihnen die grauen Häupter ihrer Wogen neigten. In unzähligen Buchten waren karthagische Seefahrer vor Anker gegangen, mit unzähligen Waren hatten sie den gierigen Rachen ihrer Laderäume vollgestopft, gegen unzählige Völker hatten sie gefochten. Häufig brachten sie die Bugspitzen feindlicher Schiffe, die wie die Stoßzähne eines Elefanten gebogen waren, als Siegestrophäen heim. Aber das Meer hatte Karthago verraten, war zu den Römern übergelaufen. Die karthagische Flotte mußte im vorigen Krieg mehrere schwere Niederlagen erleiden. Und die Aegatischen Inseln hatten das größte Unheil - den Untergang von Karthagos Seefahrtsruhm - mit angesehen.
Ja, überlegte Hannibal, es ist sinnlos, das Schicksal noch einmal herauszufordern. Mein Vater Hamilkar hat das als erster erkannt. Er drehte dem Meer den Rücken und versuchte sein Glück an Land. Da Karthago keine Flotte mehr besaß, führte er den Krieg gegen Iberien auf festem Boden. Er schuf das aus vielen Völkerstämmen bestehende Heer und befahl mir, ebenfalls einen Landkrieg zu führen. Es ist doch seltsam! Damals wurden die besten Seeleute der Welt von Landratten besiegt, die noch nie ein Ruder in der Hand gehalten hatten, und jetzt besiegen Seeleute an Land die als unbesiegbar geltenden römischen Landtruppen. Ja, mein Vater hatte recht. Die Meeresgötter haben Karthago verraten und besitzen jetzt neue Günstlinge. Dennoch ist noch nichts verloren. Es gibt noch die Götter der Berge, der Wälder und Steppen. Mit ihrer Hilfe werden wir den Sieg erringen!
Das waren Hannibals Gedanken, während er in Betrachtung des Meeres versunken war.
Die erschöpften Krieger warfen sich am Strand hin und streckten erleichtert die wunden Füße aus. Dumpf brandeten die Wellen gegen die Ufersteine, die manchmal unter dem Wasser verschwanden und dann wieder mit glänzend schwarzem Buckel zum Vorschein kamen. Die Krieger fühlten sich im frischen Seewind wohl. Sie dachten nicht darüber nach, aus welchem Grunde das Meer Karthago verraten hatte.
Der Baleare Tirnes betastete den Ledergürtel, in den er seine Ersparnisse eingenäht hatte - zwanzig Silbermünzen, die wegen des galoppierenden Pferdes, das darin eingeprägt war, Renner genannt wurden. Noch zehn Renner! dachte er, dann kann ich einen Bauernhof erwerben. Es würde auch nicht schaden, ein paar Sklaven zu kaufen. Während sie den Acker pflügen, könnte ich mit meinem Vater auf die Ziegenjagd gehen.
Die Gallier aus Dukarions Abteilung grölten ein Lied. Sie hatten bereits die Keller des naheliegenden Dorfes durchsucht und dort so viel Wein gefunden, wie sie in einem Jahre nicht austrinken konnten.
„Warum soll der Wein umkommen!" lachte Dukarion. „Rollt die Fässer an den Strand. Wir wollen die Pferde in Wein baden."
Der Vorschlag wurde mit Freudengebrüll begrüßt.
Die Afrikaner luden auf Hannibals Befehl die am Trasimenischen See erbeuteten Waffen von den Fuhrwerken. Er musterte sie und stellte fest, daß sie den karthagischen Waffen überlegen waren. Das spitze römische Eisenschwert war wegen seiner Kürze handlicher im Nahkampf. Schade, daß die gefährlichen römischen Wurflanzen nicht gegen die Römer zu gebrauchen waren, denn die lange dünne Lanzenspitze würde sich beim Aufprall auf die Schilde und Rüstungen verbiegen. Der römische Schild war etwas ungefüge, schützte jedoch den ganzen Körper. Er war mit Leinen und Kalbfell bezogen und mit Blechstreifen beschlagen, die die Schwerthiebe abhielten. Gut waren auch die aus Blechbändern bestehenden römischen Rüstungen.
Am Strand wurden die
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