Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
Seite der Guten stehen. Deshalb sagte ich, dass mein Todesstern von den Rebellen übernommen worden ist und der Imperator jetzt im Gefängnis sitzt und nur einmal am Tag was zu Essen bekommt. Und zusätzlich muss der Imperator zur Strafe die Rebellenkinder zwei Stunden am Tag Englisch-Vokabeln abfragen.
Ich finde nämlich, dass Englisch-Vokabeln abfragen so ziemlich die schlimmste Strafe ist, die man jemandem aufbrummen kann. Vielleicht sehen das manche Leute auch anders, aber ich wundere mich immer, dass bei Gerichtsverhandlungen im Kino niemand dazu verdonnert wird.
„Sind die Geschworenen zu einem einstimmigen Urteil gekommen?“
„Ja, Euer Ehren.“
„Wie lautet es?“
„Schuldig.“
„Hiermit verurteile ich den Angeklagten zu fünf Jahren Englisch-Vokabeln abfragen.“
Ich werde immer starr vor Schreck, wenn ich mir so was Gruseliges vorstelle. Als der Todesstern gut auf dem Schrank platziert war, stieg ich von meinem Stuhl und nahm meinen dunkelgrauen Commander-Sicherheitsanorak. Ich hatte Angst vor dem Besuch bei dem alten Bombenbauer. Meine Hände wurden ganz kalt. Das werden sie immer, wenn ich mich fürchte. Mir wäre wohler in einer kugelsicheren Weste vom New York Police Department und einer Brille mit Splitterschutz. Aber ich hatte nur eine gelbe Sonnenbrille ohne Splitterschutz, die mir mein Vater sofort abnahm, als ich aus dem Zimmer kam.
„Hör auf zu spinnen“, sagte er.
Ich frage mich manchmal, wie mein Vater Firmen beraten kann, wenn er so unrealistisch ist und einfach ohne Schutzkleidung zu einem Bombenbauer fährt. Aber so sind die Erwachsenen. Sie rennen sehenden Auges auf die Katastrophe zu und bestätigen sich hinterher dann gegenseitig, dass man das alles nicht habe vorhersehen können.
Harrison Ford würde mir glauben. Er würde an seinem Tisch sitzen und wenn wir uns verabschiedet hätten, dann würde er so einen Blick in die Kamera werfen und die Stirn runzeln. Dieser Blick „vielleicht hat der Junge doch recht“. Dann würde er zum Telefonhörer greifen und einen alten Freund anrufen, sagen wir bei der Polizei oder beim Geheimdienst. Und der Freund sagt zuerst, „hör mal, das darf ich eigentlich nicht tun, du kennst doch die Vorschriften“.
Aber Harrison Ford mit seinem „vielleicht hat der Junge doch recht“-Blick bleibt hart und erfährt, dass der Mann, der angeblich Rentner ist und keine Bomben baut, vor zwei Jahren gestorben ist. Da haben wir den Salat. Und zu dem fahren wir jetzt. Zu einem Rentner, der gar keiner ist. Hoffentlich bleiben wir im Stau stecken, damit Harrison Ford mich retten kann.
Die Stimmung während der Fahrt in unseren riesigen Mercedes Kombi ist ziemlich frostig. Meine Eltern haben diesen Kombi gekauft, weil meine Mutter so eine Naturliebhaberin ist. Sie meinte, da hätten wir genug Stauraum, wenn mir mal Lust zum Campen hätten. Damit meint sie, dass wir uns so ein kleines blödes Zelt kaufen und dann in Schlafsäcken am Wochenende an einen See legen sollten, wo ganz viele Malariamücken rumschwirren, die einem die ganze Nacht um den Kopf surren und einem die Rübe zerstechen. Eeeeekkk, Ackckackckackckackckackackackackack.
Gottseidank hasst mein Vater Würstchengrillen am See. Und ein Zelt haben wir auch noch keins. Aber ich bin auf der Hut, denn die Erwachsenen sind unberechenbar. Vielleicht findet mein Vater morgen Würstchengrillen ja plötzlich ganz große Klasse. Einmal nämlich wäre das Desaster beinahe passiert. Wir sind zu einem großen Kaufhaus gedüst und haben einen ganzen Nachmittag lang ungefähr 400 blöde Zelte angeschaut. Gottseidank ist dann der Reißverschluss einer Schlafkabine kaputt gewesen, als ihn mein Vater aufgezogen hat. Da ist er ausgerissen. Mein Vater hat entschieden, dass wir so schlechte Qualität nicht anschaffen werden. Deshalb haben wir also den riesigen Mercedes Kombi, aber immer noch kein Zelt.
Dass die Stimmung so frostig ist, liegt aber gar nicht allein an mir, glaube ich, sondern an Herrn Eberhardt. Herr Eberhardt ist ein Kollege meiner Mutter, der uns ziemlich oft überraschend besucht, wenn mein Vater nicht da ist. Herr Eberhardt nennt meine Mutter „Bienchen“ und sie kichert immer total irre, wenn er mit ihr irgendwelche Unterlagen im Wohnzimmer durchsieht. Sie sperren dann immer die Türe ab, damit ich nicht plötzlich reinplatzen kann und der Luftzug die Papiere durcheinander bringt.
Wenn mein Vater da ist, nennt Herr Eberhart meine Mutter nicht mehr „Bienchen“, sondern „Frau
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