Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
kaputtmachen? Ackckackckackckackckackackackackack.
„Halt den Mund“, sagte meine Mutter, obwohl sie solche Dinge zu einem Kind mit ADS eigentlich nicht sagen darf. Ich bin jetzt hypernervös. Ackckackckackckackckackackackackack.
Wenn mein Vater wenigstens etwas langsamer fahren würde, dann hätte ich Zeit nachzudenken und fände vielleicht doch noch einen Ausweg. Aber wenn er wütend ist, gibt er Gas wie James Bond. Ich glaube, wir fahren sogar schneller als James Bond. Ich glaube, mein Vater fährt 200 durch die Stadt. Vermutlich würde er lieber mit 200 auf die kaputte Brücke treffen und mit uns in den Fluss stürzen als zusehen, wie meine Mutter sich mit Hr. Eberhardt vom Acker macht. Er bekommt dann die Stereoanlage, während die Waschmaschine und ich meiner Mutter zugeschlagen werden.
Ich mag nicht in unserem Mercedes Kombi in den Fluss fallen und ersaufen. Vielleicht tue ich den Erwachsenen auch Unrecht. Jedenfalls wird man merken, dass ich keine sehr hohe Meinung von ihnen habe und bei ihnen immer mit dem Schlimmsten rechne.
Die Brücke kommt und es sind keine orangen Blinklichter da. Mein Fuß fängt zu zucken an und ich brauche dringend meinen Todesstern und muss herumlaufen, sonst drehe ich total durch oder falle in Ohnmacht, weil mein Notausprogramm anspringt.
Wir passieren die Brücke und sind jetzt auf derselben Flussseite wie der freundliche Bombenbauer. Die Brücke rauscht bei 200 einfach vorbei wie eine kurze Sendestörung im Fernsehen.
Draußen schlendert ein blonder Junge in meinem Alter vorbei. Nein, jetzt, wo er sich kämmt sehe ich, dass er so 16 ist. Er sieht genauso aus wie Nikita. Nikitas Eltern sind doch russische Spione, die zur Tarnung eine Gärtnerei betreiben. Eigentlich sind das ganz nette Leute, die irgendwann früher Mist gebaut haben. Und jetzt werden sie wegen dem Mist, den sie gebaut haben, erpresst. Natürlich können Nikitas Eltern auch nicht zur Polizei gehen, weil die sofort sagen würden, vielen Dank, dass Sie sich stellen, jetzt müssen Sie 40 Jahre ins Gefängnis und dann ist alles OK. Deshalb soll man nicht lügen, sagt meine Mutter, weil die Lüge einen früher oder später immer einholt. So wie meine Mutter jetzt die Geschichte mit Hr. Eberhardt einholt.
Nein, was mir einfiel ist, dass meine Eltern auch Schläfer sein könnten. Genauso wie Nikita nichts über den Mist wusste, den seine Eltern früher gebaut hatten, wusste ich auch nicht, was meine Eltern früher so getrieben hatten. Ich war ja erst elf. Und vorher? Tante Erika sagt höchstens mal, dass mein Vater früher „ein ganz Schlimmer“ war, was immer das heißen soll. Aber weiter darauf geht sie nicht ein. Sie sagt dann, „sei nicht so neugierig“ oder „das fragt man nicht“. Also habe ich nie erfahren, ob mein Vater nicht ein begnadigter Bankräuber oder Mörder ist oder andere schlimme Sachen gemacht hat. Von meiner Mutter weiß ich noch weniger. Eigentlich gar nichts. Ich finde es total komisch, wenn jemand keine Vergangenheit hat.
8
Die Gegend durch die wir jetzt fahren, kommt mir irgendwie bekannt vor. Dort vorne zum Beispiel bin ich aus der U-Bahn gekommen, als ich den spanischen Bombenbauer beschattet habe. Und dort drüben ist die Hecke, vor der ich gestanden bin, wo ich die Polizei angerufen habe.
Als könnte sie Gedanken lesen, fängt meine Mutter plötzlich an zu erzählen, wie die Polizei auf mich gekommen ist. Obwohl ich doch meine Stimme verstellt hatte. Sie haben meine Nummer gesehen und dann einfach bei der Telefongesellschaft angerufen. Obwohl ich ganz bestimmt die Rufnummern-Unterdrückung eingestellt habe.
Meine ich jedenfalls. Oder die Rufnummern-Unterdrückung ist nur ein billiger Betrug, der gar nichts bewirkt. Man sieht ja einfach nicht, ob die Rufnummer bei den Funkwellen mitflattert, oder? Ich mache dann die Augen zu und stelle mir vor, dass die Rufnummer aus der Antenne meines Telefons kommt, wie Qualm.
Ich stelle mir den Bullen, der wegen mir bei der Telefongesellschaft angerufen hat, in dunkelblauer amerikanischer Polizeiuniform vor. Er hört sich ganz cool die Ausflüchte der Dame von der Telefongesellschaft an, bevor er sagt: „Schätzchen, wenn Du die Nummer nicht rausrückst, komme ich mit einem Durchsuchungsbeschluss und stelle Eure Bude auf den Kopf“. So sind sie auf meine Nummer gekommen und weil sie auf die Nummer gekommen sind, stehe ich jetzt vor der Höhle des Bombenbauers und soll mich entschuldigen.
Meine Mutter fragt dann doch, ob alles OK mit
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